Kein Wort zu Papa - Heldt, D: Kein Wort zu Papa
Frühstücksraum, stemmte ihre Hände in die Hüften und musterte uns von Kopf
bis Fuß. »Also, wenn ich nicht zufällig vorbeigekommen wäre, hätte Gesa hier allein gestanden. Wie habtihr euch das bloß gedacht? Und euer Vater muss mit dem Koffer in den Bus steigen. Also, wirklich.« Sie trug schon wieder Lippenstift.
Diesmal nur auf den Lippen.
Passend zu Adelheids Tirade machte mein Vater ein trauriges Gesicht. Das konnte Ines überhaupt nicht leiden. »Jetzt ist aber
gut. Papa, du hast doch niemandem gesagt, dass du kommst. Soll ich das ahnen, oder was? Und am besten auch noch die Ankunftszeit
in den Knochen fühlen? Du hättest anrufen können. Der Wecker hat nicht geklingelt, das kann ja mal passieren.«
»Es kann, meine Liebe«, Adelheid füllte eine Teekanne nach, »es darf aber nicht. Kümmert euch jetzt mal um euren Vater. Ich
trinke noch eine Tasse Tee mit Guntram. Den Rest hat Gesa im Griff. Wo ist die eigentlich? Heinz, ich sage es dir, sie sind
wie ein Sack Flöhe. Es wird Zeit, dass Marleen zurückkommt. In der blauen Kanne ist noch Kaffee.«
Sie verließ die Küche mit Teekanne und Hüftschwung.
Guntram? Das ging ja flott. Ich tapste langsam auf den Tisch zu und ließ mich auf einen Stuhl sinken.
Mein Vater sah mich an. »Na?«
»Na?« Ich hatte eine kratzige Stimme.
»Wie hast du das überhaupt geschafft, die erste Fähre zu nehmen? Du bist doch wohl nicht mit dem Auto von Sylt aus durchgefahren?«
Ines stellte mir einen gefüllten Kaffeebecher hin und zog sich einen Hocker an den Tisch.
»Nein. Kann ich auch noch einen Kaffee haben? Ich habe in Norddeich übernachtet. Im Hotel. Bis dahin bin ich gestern mit dem
Zug gefahren.«
»Du? Alleine?« Ich sah ihn ungläubig an. Mein Vater ließ seinen Koffer normalerweise von meiner Mutter packen. Reisen machte
er gar nicht oder nur in organisierten Gruppen. Er hasste Hotels, weil er sich beständig darum sorgte, ob sie auch sauber
und sicher waren. Und jetzt das.
»Onkel Walter hat mir die Zugfahrkarte gekauft und dieVerbindung rausgesucht. Das kann er ja. Und Kalli kennt den Besitzer von dem Hotel. Die singen zusammen bei den ›Döntje Singers‹.
Er hat ihn angerufen.«
»Und wer hat dir den Koffer gepackt?« Ines schenkte seine Tasse voll.
»Das kann ich ja wohl selbst.« Entrüstet sah er seine jüngste Tochter an. »Du tust immer so, als wäre ich senil. Koffer packen,
ich bitte dich. Ich habe schon Koffer gepackt, als du noch nicht wusstest, dass du jemals zur Welt kommen würdest.«
»Oder hat Tante Inge dir geholfen?« Wenn Ines in diesem Ton weiter mit ihm reden würde, gäbe es bald Streit. Ich blickte meine
Schwester warnend an.
»Inge.« Heinz funkelte Ines an. »Ich sollte bei Inge und Walter essen, solange Mama hier ist, das war so abgesprochen. Nur:
Inge kocht mittags überhaupt nicht. Die essen abends warm, danach kann ich aber nicht schlafen. Die ist so stur, nun gut,
das war sie schon immer. Kleine Schwester, pah, wenn man sie einmal braucht, lässt sie einen hängen. Inge packt mir den Koffer,
da lachen ja die Hühner.«
»Aber du …«
»Ines, lass es jetzt.« Ich hatte zu viel Schädelbrummen für einen Vater-Tochter-Streit. Ines schloss den Mund, und mein Vater
nahm dankbar meine Hand. »Du kennst das ja auch, diesen Ärger mit den kleinen Schwestern, nicht wahr?«
Meine Schwester feuerte einen bösen Blick auf uns und ging mit den Worten: »Und Pierre hat noch gesagt, dass der Tresen nicht
aus Holz ist. Ich gehe mit Gesa eine rauchen.«
»Ines, seit wann …?«
»Papa, lass du es bitte auch. Ich fahre dich jetzt zu Kalli und Hanna«, sagte ich.
Während ich den Koffer ins Auto lud, warf mein Vater einen kurzen Blick in den Frühstücksraum und durch das Fenster der noch
geschlossenen Bar. Mit den Händen in der Jackentasche und zufriedenem Gesicht kam er zurück. »Dassieht ja alles sehr gut aus«, sagte er, »genau wie beim letzten Mal, ich kenne mich gleich wieder aus. Sehr schön.«
Als er langsam zum Auto schlenderte, trat Eleonore Stehler aus der Tür. Sie entdeckte mich, ging mit schnellen Schritten und
schlechter Laune auf mich zu. »Wo ist Ihre Schwester?«
Mein Vater war stehen geblieben und beobachtete uns aus der Entfernung. Ich drehte mich mit dem Rücken zu ihm und antwortete
betont sachlich: »Ich weiß es nicht. Kann ich Ihnen weiterhelfen?«
Eleonore Stehler baute sich drohend vor mir auf. »Sagen Sie ihr …«
»Guten Tag, ich bin der
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