Kein Wort zu Papa - Heldt, D: Kein Wort zu Papa
nicht seine Betreuerin. Natürlich war er beleidigt. Anschließend hat er Kalli
angerufen, um sich bei Mama zu beschweren. Die war aber nicht da. Stattdessen hat Kalli ihm erzählt, dass es hier auch nicht
besser sei. Weil wir alle ein bisschen überfordert seien, müsse die arme Adelheid in ihrem Alter sämtliche Rasenflächen mähen,
und dauernd fielen irgendwelche Schränke von der Wand. So viel Geschirr kaputt.Und ihm sei nicht klar, wie das alles ohne Mama und Hanna gehen sollte.«
»Das hat er so gesagt?« Ines hatte mir entgeistert zugehört. »Jurek ist doch unser Hausmeister. Weiß er das nicht?«
»Natürlich weiß er das. Aber er findet es einfach unmöglich, dass Adelheid Rasen gemäht hat. Das sei doch Männersache. Ich
glaube, Kalli sind Hanna und Mama im Doppelpack zu anstrengend. Sein Gleichgewicht fehlt, er hätte Papa sowieso angerufen,
ob nun wegen des Wandschranks oder wegen anderer Dinge. Hauptsache, Heinz würde kommen. Jetzt hat er es ja geschafft.«
Ines schüttelte den Kopf und schob die Rechnung in den Umschlag. Ich beobachtete sie und stellte die Frage, die ich schon
seit vorhin im Kopf hatte: »Was hattest du denn gestern Abend mit Gregor Morell?«
»Nichts.« Ihre Antwort kam so schnell, dass ich hellhörig wurde. »Wieso?«
»Weil Eleonore Stehler mich vorhin im Hof angesprochen oder besser angezischt hat. Du sollst ihn in Ruhe lassen.«
»Und? Was hast du gesagt?« Mit unbeteiligtem Gesichtsausdruck hielt sie meinem Blick stand.
»Mir fiel überhaupt nichts ein. Zumal Papa auch noch dazukam und sie bedrohlich anguckte. Hinterher hat er gesagt, sie hätte
ein gemeines Kinn. Aber was war denn nun wirklich?«
Meine Schwester erhob sich und schob den Stuhl zurück. »Frau Stehler war ziemlich angetrunken und hat da wohl etwas missverstanden.
Weder du noch Papa, noch sonst wer muss sich Gedanken machen. Ich gehe jetzt mal in die Küche, das Frühstück ist gleich vorbei.
Kommst du mit?«
Sie ging voraus, ich folgte ihr langsam und hatte irgendwie ein komisches Gefühl.
Nur noch ein Tisch im Frühstücksraum war besetzt. Ich versuchte, mir nichts anmerken zu lassen, und nickte freundlich.
»Guten Morgen, Herr Bernd.«
Adelheid drehte sich sofort zu mir um. »Du kannst den Rest stehen lassen, Christine, ich mache das dann. Guntram und ich wollen
noch in Ruhe eine Tasse Tee trinken.«
»Natürlich.« Ich biss mir auf die Unterlippe und ging zurück in die Küche, wo Gesa und Ines die Reste vom Frühstücksbuffet
wegräumten. Ich nahm eine der geblümten Tassen und goss einen Kaffee ein. »Wo kommt das Geschirr eigentlich her?«
»Das hat Jurek gestern Abend noch von Adelheid geholt. Das ist ihr altes Pensionsgeschirr. Früher hat sie doch auch vermietet.
Und sie wirft ja nichts weg.« Gesa polierte eine Platte. »Sitzt sie immer noch bei Herrn Bernd am Tisch?«
»Ja. Aber sie sagt schon ›Guntram‹.«
Ines grinste. »Sie trägt auch wieder Lippenstift. Wo ist Jurek eigentlich? Der wollte doch den Schrank reparieren. Gesa? Was
hast du mit ihm gestern angestellt?«
Statt zu antworten, polierte sie schneller. Meine Schwester nahm ihr die Platte aus der Hand.
»Jetzt erzähl schon. Bevor Hanna und Charlotte hier anrücken.«
»Ines, lass sie doch.«
Ich hatte im Moment keine Lust, mir Liebesgeschichten anzuhören. Mir war gerade eingefallen, dass mein Handy immer noch auf
der Fernsehzeitschrift lag, inzwischen wohl mitleerem Akku. Falls Johann versucht hatte, mich zu erreichen, hatte er Pech gehabt. Oder ich, je nachdem.
»Sind denn jetzt alle Gäste beim Frühstück gewesen?« Ich hatte Tom und seine Mutter noch gar nicht gesehen.
Gesa nickte. »Ja. Das heißt, alle bis auf Frau Hansen. Die wollte auf ihrem Zimmer frühstücken, ihr Sohn war allein. Er hat
nach dir gefragt.«
»Ach ja«, Ines fuhr hoch. »Der hat gestern noch bei uns geklopft, also eigentlich heute Morgen. Da wollte er auch schon mit
dir reden. Ich habe ihm gesagt, du wärst im Bett. Und außerdem betrunken.«
Demnach hatte ich das doch nicht geträumt. »Das hättest du auch anders formulieren können.« Ich wich Gesas neugierigem Blick
aus und stellte die leere Kaffeetasse in die Spüle. »Wo ist bitte die Einkaufsliste, die Hanna gestern geschrieben hat? Die
lag doch hier.«
»Auf der Fensterbank.« Adelheid kam mit dem restlichen Geschirr in die Küche und stellte das Tablett ab. »Eine von euch muss
jetzt auch los. Gesa, hast du den Korb mit den Handtüchern auf
Weitere Kostenlose Bücher