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Kein zurueck mehr

Kein zurueck mehr

Titel: Kein zurueck mehr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Swati Avasthi
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Flur nach ihr abgesucht. Hat er die ganze Zeit auf sie gewartet, Jahr um Jahr?
    Ich gucke noch einmal meine E-Mail an.
    Wann kommst du?
    Wenn ich das abschicke, wird sie sich vielleicht weigern zu kommen. Sie wird vielleicht zugeben, dass sie ihn nie verlassen wird. Ich lösche meine Drohung, sie zu holen, und ersetze sie mit:
    Ich brauche sofort ein Lebenszeichen von dir oder ich schicke die Polizei vorbei, gebe eine Vermisstenmeldung auf – was auch immer.
    Das muss reichen.

Kapitel 6
    Ich gehe noch einmal alle Warum-Christian-mich-bleiben-lassen-sollte-Argumente durch. Das Ich-weiß-nicht-mehr-weiter-Plädoyer klingt nicht besonders überzeugend. Ich werde auf Bruderliebe bauen müssen. Davon müsste doch noch etwas übrig sein, oder? Christian hat mir das Fahrradfahren beigebracht, als ich vier war, das Lesen, als ich sechs war, und mit sieben zeigte er mir, wie man seine Fäuste einsetzt. Das kann doch nicht alles weg sein. Für mich ist es das nicht. Ich hoffe immer noch auf dieses Wiedersehen, bei dem er genauso froh ist, mich zu sehen, wie ich es war, ihn zu sehen.
    Als Christian ins Zimmer kommt, mustert er mich und grinst. Ich erinnere mich an meine zu großen Klamotten und sage: »Ich musste mir was von dir leihen, okay?«
    »Das sehe ich«, sagt er und wirft mir eine braune Papiertüte zu.
    In der Tüte ist ein Bagel mit Frischkäse, der durch irgend solche langen grünen Dinger ungenießbar gemacht wurde.
    »Iss mal zu Ende und dann gehen wir einkaufen.«
    Ich hole tief Luft und gestehe ohne Umschweife: »Ich hab kein Geld.«
    »In Ordnung.«
    An seinem abwesenden Blick sehe ich, dass es in seinem Gehirn arbeitet. Während ich Christian beim Denken zusehe, beiße ich in den Bagel und wünschte, ich könnte den Spinat aus dem Frischkäse entfernen. Er atmet abrupt ein. Bing! Lösung gefunden.
    Er geht zu seinem Schreibtisch und holt eine grüne American-Express-Karte aus der Schublade. Er zieht den Aufkleber von der Rückseite der Karte, nimmt einen Stift und setzt seine Unterschrift auf den weißen Streifen. Er zögert nicht. Christian Marshall.
    Jace Marshall. Das wird seltsam sein. Ob ich nun bleibe oder nicht, ich bin jetzt Jace Marshall. Der ganze Witherspoon-Scheiß ist Vergangenheit.
    »Gut, zuerst Kleidung, dann ein Job, okay?«
    »Klar, okay«, sage ich, aber ich bewege mich nicht vom Fleck, auch nicht, als er seine Jacke und seinen Schlüsselbund nimmt.
    Hör zu , möchte ich am liebsten sagen, ich bin den halben Tag wie bekloppt in dieser Wüste umhergerannt und hab geschwitzt wie ein Schwein, nur um nicht an dieses Gespräch denken zu müssen. Können wir es jetzt vielleicht endlich hinter uns bringen? Aber ich kann keine Forderungen stellen. Das ist das Problem, wenn man von Almosen lebt. Oder vielmehr den Almosengeber in Schulden stürzt.
    »Was?«, fragt er.
    »Nichts.«
    Er knallt die Karte auf den Couchtisch, setzt sich aufs Sofa und sieht mich stirnrunzelnd an.
    »Ich will einfach nur wissen, ob ich hierbleiben kann«, sage ich. »Damit ich weiß, was ich überhaupt kaufen soll.«
    »Du kannst bleiben, wenn du möchtest –«
    »Wenn ich möchte?«
    »Solange wir uns auf ein paar Grundregeln einigen können. Wenn sie dir nicht gefallen, machen wir einen anderen Plan für dich, okay?«, sagt Christian mit ruhiger Stimme.
    Ich setze mich auf das Zweiersofa und sehe ihm in die Augen. Stehen zur Urteilsverkündung, sitzen für die Verhandlungen.
    »Regel Nummer eins: Du stellst mir keine Fragen und ich werde dir auch keine stellen.«
    »Klar, okay«, sage ich.
    Er mustert mich einen Moment, den Kopf schief gelegt und die Augen zusammengekniffen. »Wirklich?«
    »Ja.«
    »Weil jedes Mal, wenn du ›klar, okay‹ sagst, ich mir gar nicht so sicher bin, ob alles klar ist.«
    Was genau soll ich denn dann sagen? Gib mir doch gleich ein Drehbuch. »Gut, dann sag ich eben: kein Problem.«
    »Regel Nummer zwei: Du kannst Mom nicht mit meinem Telefon anrufen. Ich meine, von meinem Anschluss aus.«
    Ich schlucke. Jetzt fällt mir unsere Rufnummernerkennung zu Hause ein und ich überlege, ob ich gestehen soll. Doch ich habe ernste Zweifel, dass ich dadurch meine Position verbessern würde.
    »Er sucht doch gar nicht mehr nach dir«, sage ich. »Das hat er schon lange aufgegeben.«
    »Aber vielleicht hat er ja auch nur meine Spur verloren. Als meine letzte Tracht Prügel verjährt war, hat er mich in New York aufgespürt. Danach habe ich meinen Nachnamen geändert und ein Semester in Spanien

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