Kein zurueck mehr
ich bin zurückgekommen. Komm schon, du musst mir meine moralische Rehabilitation zugutehalten.«
Ihre Lippen zucken und wieder lächelt sie ihr Lächeln, das kein Lächeln ist. »Kennst du dich überhaupt mit Büchern aus?«
Ich nicke.
»Okay … von wem ist Ein Baum wächst in Brooklyn ? «, fragt sie.
»Betty Smith. Da musst du mich schon was Schwierigeres fragen.«
»Nenne drei lateinamerikanische Autoren.«
»Isabel Allende, Sandra Cisneros und Pam Muñoz Ryan. Was Schwierigeres, hab ich gesagt.«
»Liebstes Shakespeare-Zitat?«, sagt sie.
»›Ich bin einmal so tief in Blut gestiegen, dass, wollt ich nun im Waten stillestehn, Rückkehr so schwierig war, als durchzugehn.‹« Der Satz, der mir während meiner neunzehnstündigen Fahrt ständig im Kopf rumging.
» Macbeth .« Sie klopft mir auf die Schulter und geht an mir vorbei. »Komm, wir besorgen dir einen Job.«
Kapitel 9
Christian und ich sind endlich shoppen gegangen und jetzt liegen hier überall Tüten rum: zwei weiße Plastiktüten aus dem Secondhand-Shop, eine andere von Walgreens und zwei mit roten Kreisen drauf von Target. Unterwäsche, Zahnbürste, Sweatshirts, T-Shirts, langärmelige Shirts, Jeans und eine Jacke.
Christian hat noch »Wäsche fürs Haus« gekauft: ein paar Handtücher und Bettwäsche für die Couch, die man, wie ich inzwischen herausgefunden hab, ausziehen kann. Er hat mir sogar einen Rucksack gekauft, als »nachträgliches Geburtstagsgeschenk«, will sagen, ein Geschenk aus schlechtem Gewissen. Ich hab jedes Mal den Blick abgewendet, als an der Kasse die Gesamtsumme erschien. Ich tat, als musterte ich fasziniert eine Chili-Ristra – das ist eine Kette getrockneter roter Chilischoten, wie ich bei dieser Gelegenheit lernte –, aber ich sah genug, um zu wissen, dass seine Amex-Rechnung es in sich haben würde. Ich hab keine Ahnung, wie ich ihm das alles zurückzahlen soll.
Christian kommt aus seinem Schlafzimmer und sagt: »Ich hab dir die zwei unteren Schubladen der Kommode frei gemacht. Brauchst du noch Platz im Kleiderschrank?«
Ich sage Nein und wir einigen uns darauf, dass ich mein Waschzeug unten im Medizinschrank aufbewahre.
»Willst du heute Abend einen Teller Suppe?«
Was ich will, ist eine dick belegte Pizza von Edwardo’s. »Klar, okay.«
Ich suche die Tüten zusammen, streife mir die Haltegriffe über das Handgelenk und gehe durch den Flur. So beladen komme ich nur seitwärts durch die Tür. Im Krebsgang zwänge ich mich hindurch. Die Tüten rutschen mir von den Armen und ich fange an zu sortieren: Socken, Unterhosen, Hemden auf die linke Seite, T-Shirts und Longshirts auf die rechte. Jeans und Sweatshirts in die untere Schublade. Alles lässt sich super-ordentlich verstauen. Als wenn es hierhergehört. Ich streiche ein zusammengefaltetes Sweatshirt glatt.
Als ich zurück in die Küche komme, muss ich feststellen, dass sich Christians Kochkünste nicht gebessert haben. Die Tomatensuppe ist am Überkochen. Bläschen quellen über den Rand und tropfen zischend auf die Herdplatte, während Christian mit einem Fachbuch auf dem Schoß auf der Couch sitzt. Ich schalte die Herdplatte aus, nehme den Löffel, von dem schon Tomatensuppe auf die Anrichte getropft ist, und rühre um. Ich öffne den Kühlschrank und starre auf die gähnende Leere.
Milch und Joghurt. Das Gemüsefach scheint dunkel durch das Glas. Ich öffne es und finde Pilze, Tomaten, Pilze, weißen Spargel und noch mehr Pilze.
»Ich dachte, ich könnte uns noch ein paar Pilze dünsten«, sagt er.
Ich kapiere ja, dass ich keine großen Ansprüche stellen kann, aber Pilze? Sie sind weich und klebrig und riechen so eklig, dass ich am liebsten den gesamten Inhalt des Gemüsefachs in den Mülleimer kippen will. Ich meine, es handelt sich um Fungus . Echt jetzt, ich will eine Pizza.
»Klar, okay«, sage ich.
»Oder auch nicht«, sagt er. Offenbar hat man mir meinen Ekel angesehen.
Ich durchsuche Christians Schränke nach etwas Essenswertem. Wheat-Thins-Cracker, Vollkornpizza, brauner Reis und ein ganzes Fach voller Thunfischdosen. Kekse gibt es auch, aber sie sind fettarm und von Nature’s Choice; fettarme Süßigkeiten – das ist doch ein Oxymoron. Seine Gewürze: Salz, Pfeffer und – wie abgefahren ist das denn – Zwiebelpulver. Er hat keine Geschmacksnerven und ist im Begriff, meine zu zerstören.
Zu Hause war immer auch etwas Junkfood im Schrank: eine Tüte Fritos-Chips oder ein Karton mit Eiscreme-Sandwiches. Ein Geheimvorrat, den meine
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