Keine Angst vor Anakondas
der Felswand kleben. Eine perfekte Tarnung für den Aufenthalt in den Höhlen! Schnell fanden die Forscher heraus, dass jeder Quasti ein individuelles Zeichenmuster trägt. Damit konnten sie einzelne Tiere wiedererkennen und unter anderem zeigen, dass sich über Jahre hinweg dieselben Exemplare in denselben Höhlen aufhielten.
Quastenflosser werden sehr alt. Hans Fricke konnte bei einem kleineren Exemplar, dem sie den Namen »Nico« gegeben hatten, in 13 Jahren kein Wachstum feststellen. Das Alter von Fischen lässt sich über Ringe der Gehörsteine, den »Otolithen«, ermitteln, ähnlich den Ringen bei Bäumen. Bei Latimeria ist das Alter aber nicht eindeutig zu ermitteln, da offensichtlich Zuwächse auch wieder aufgelöst werden können. 40 Jahre können sie mindestens alt werden, vermutlich aber weit älter. Es würde Hans Fricke nicht überraschen, wenn die Quastenflosser sogar über 100 Jahre alt werden könnten. Vielleicht ist einer der Gründe dafür, dass Quastis Meister im Energiesparen sind. Hans Fricke berechnete, dass ein Fisch von 100 Kilogramm nur ungefähr 30 Gramm Beute pro Tag als Nahrung braucht. Haie benötigen ein Vielfaches.
Mit an Quastenflossern befestigten Peilsendern stellten sie fest, dass die Urzeitfische zum Jagen in Tiefen bis zu 700 Metern abtauchen. Hans Fricke konnte den Fischen also wieder nicht folgen. Es muss ihm sein Forscherherz zerrissen haben, als er sie ins Bodenlose verschwinden sah.
Doch auch manche schöne Geschichte wiederholt sich im Leben. Als Quastenflosser später auch in den 7 000 Kilometern entfernten Gewässern Indonesiens entdeckt wurden, war Hans Fricke wieder Feuer und Flamme und startete vor Ort eine Tauchboot-Expedition mit der Jago . Das Ergebnis: Kein Quastenflosser schwamm vor den Ausguck des Boots. Enttäuschung. Als Fricke nach erfolgloser Suche wieder in Deutschland ankam, erreichte ihn die Nachricht von seinen Tauchkollegen, dass sie beim 33. Tauchgang doch noch Quastenflosser entdeckt hatten – mit dem Bauch nach oben an der Decke einer Höhle stehend. Sie hatten es der Besatzung der Jago verdammt schwer gemacht, sie aufzustöbern.
Auch nach Jahren der Forschungsarbeit hüten die Quastenflosser immer noch viele Geheimnisse. Warum versammeln sie sich in den Höhlen? Findet hier die Paarung statt? Warum tauchen die größeren Weibchen tiefer als die kleineren Männchen? Hans Fricke hatte nach wie vor kein einziges Quastibaby entdecken können und fragte sich, wo die Kinderstube der Fische wohl ist. Besonders tief tauchen die trächtigen Weibchen. Es ist wahrscheinlich, dass sie ihren Nachwuchs in größerer Tiefe zur Welt bringen. Sind die kleinen Quastenflosser in der Tiefe sicherer vor Räubern oder gar vor den eigenen Artgenossen?
Viele Fischarten setzen unglaublich viele Eier im Wasser ab. Von den Nachkommen erreichen aber nur die wenigsten das Erwachsenenalter. Eine ganz andere Strategie besteht darin, die Jungen lebend auf die Welt zu bringen. Einen wirksameren Schutz vor Eiräubern gibt es nicht. Lebendgeburten haben sich auch bei verschiedenen Amphibien und Reptilien unabhängig voneinander entwickelt. Anakondas und die anderen Boaschlangen gehören beispielsweise auch dazu.
Als 1991 vor der Küste von Mosambik ein Weibchen gefangen wurde, nahm die Fachwelt mit Verwunderung zur Kenntnis, dass auch der Quastenflosser zu den lebend gebärenden Tieren gehört. 26 Jungtiere waren im Bauch des Weibchens entdeckt worden, die zusammen immerhin ein Zehntel des Gewichts des Muttertiers ausmachten. Das Weibchen musste kurz vor der Geburt gewesen sein. Bei der Geburt hätten die Jungtiere eine Länge von etwa 35 Zentimetern aufgewiesen. Über die DNA stellten die Forscher fest, dass alle Jungen von nur einem Vater abstammten.
Hans Fricke engagiert sich heute noch für den Schutz seiner Quastis. Und das ist auch dringend notwendig. Für die Fischer waren sie lediglich ein ungeliebter Beifang, da das Fleisch der Quastenflosser einen unangenehm öligen Geschmack hat. Heute sind sie wertvoll, da für präparierte Quastenflosser viel Geld gezahlt wird. Vor den Komoren sind mittlerweile über 200 Fänge gemeldet worden. Die Einheimischen lassen mit Steinen beschwerte Schnüre, mit Haken und Köder versehen, in die Tiefe ab. Die Senkgewichte werden dann mit einem Ruck gelöst. Hans Fricke fand im Gebiet der Quastenflosser auf dem Grund ganze Berge von diesen Steinen aus vielen Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten. Dies deutet auf den Jagddruck hin, der zu
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