Keine Angst
Zeug in Plastiksäcken, holte es wieder hoch. Deponierte es an den unmöglichsten Plätzen. Zwecklos. Es nicht in meiner unmittelbaren Nähe zu wissen, erwies sich als wahre Folter. Am Ende landete der ganze Packen wieder in meiner Wohnung, wo sich natürlich erneut die fixe Idee einstellte, jemand könne es mir wegnehmen. Eine Zeitlang spielte ich mit dem Gedanken, doch so einen Geldwäscher zu suchen. Aber das hätte erfordert, Kontakte zu gewissen Kreisen zu suchen, ein Risiko, das mir unwägbar und damit zu hoch erschien.«
»Was für ein Dilemma!« stieß Schlemmer hervor.
»Ja, weiß Gott! Die Millionen begannen mich zu beherrschen. Überall witterte ich Spione, sah in jedermann eine Bedrohung, fürchtete ständig, mich zu verraten. Litt an einem ausgewachsenen Verfolgungswahn, das kann ich dir sagen, Schlemmer, umgeben von Feinden.«
»Wieso denn? Wußte doch kein Mensch Bescheid.«
»Wenn du durchdrehst, siehst du das anders. Du verdächtigst Nachbars Katze. Naja. Kannst dir vorstellen, daß ich dadurch nicht unbedingt geselliger wurde. Da saß ich nun mit dem ganzen schönen Geld und wurde immer frustrierter. Brach sämtliche Verbindungen ab, kam so gut wie nicht mehr vor die Tür, abgesehen davon, daß ich arbeiten ging, weil verhinderte Millionäre ja von irgendwas leben müssen. Das Ganze gipfelte darin, daß ich kaum noch was ausgab. Mit meinem Salär kam ich über die Runden, besser denn je. Und weißt du was? Plötzlich stellte ich fest, daß ich die Millionen gar nicht brauchte. Hätte gar nicht mehr gewußt, wofür. Kurzzeitig fühlte ich mich wie erlöst! Erwog sogar, den ganzen Krempel einfach zu verbrennen oder in den Rhein zu schmeißen.« Koch stöhnte leise auf. »Wie schön wär das gewesen. Wieder ein normaler Mensch sein mit einem ganz normalen Leben. Aber ich hab’s nicht fertiggebracht.« Er schüttelte traurig den Kopf. »Hab dann gedacht, ich spar’s mir auf für schlechte Zeiten, wenn kein Hahn mehr nach dem Sprengstoffattentäter kräht. Irgendwann verlieren sie das Interesse. Das Geld würde eben die Stütze meines Alters sein, auch gut. Wer hat schon zehn Millionen im Ärmel?«
»Hattest du nicht auch mal ’ne Frau? Was war mit der?«
»Nix. Die war vorher.« Koch rieb sich die Augen. »Als ich daranging, Miederhöschen in die Luft zu sprengen, war sie schon lange tot.«
»Du hast die ganzen Jahre auf deinen Millionen rumgesessen?«
»Wie die Henne auf dem Ei. Ich entwickelte mich zu einem üblen Geizkragen, der sich selber kaum ertragen konnte, hütete mein Vermögen wie ein Zerberus. Beim Gedanken, jemand käme, um’s mir wegzunehmen, wurde ich fast wahnsinnig. Ich begann, alle Menschen zu verabscheuen für die vage Möglichkeit, einer von ihnen könnte mich berauben. Entwickelte einen regelrechten Haß auf jeden, der ein glückliches und erfülltes Leben führte, oder sagen wir, der mir glücklicher erschien, als ich es war. Nicht gepeinigt vom Fluch dieses unseligen Reichtums. Nenn mich einen Menschenfeind, Schlemmer, der bin ich ganz sicher geworden in den Jahren.«
Es war unglaublich!
»Und wann«, fragte Schlemmer vertraulich, »hast du die Kohle endlich auf den Kopf gehauen?«
Koch warf ihm einen trüben Blick zu.
»Gar nicht.«
»Was? Wie bitte? Soll das heißen, du …«
Schlemmer glaubte, sich verhört zu haben. Er überlegte. In seinem umnebelten Verstand wuchs ein Gedanke heran, einfach und folgerichtig.
»Wenn du das Geld nicht ausgegeben hast«, sagte er langsam, »wenn es also nicht weg ist – wo ist es dann?«
Koch hielt die Flasche gegen die altmodische Deckenleuchte, schüttelte sie und stellte sie wieder ab. Sie war leer.
»Tja. Die Frage hat mich lange beschäftigt. Wohin damit? Daß es ja keiner findet! Meine Millionen, für die ich schlaflose Nächte durchlitten und mir die Nerven abgewetzt hatte, bis sie blank dalagen. Ich habe mir den Kopf zermartert, Schlemmer, aber es half alles nichts. So besessen war ich von dem Geld! Haben und behalten, nur noch darum ging’s.« Er lachte meckernd. »Und am Ende hab ich einen Weg gefunden.«
»Einen Weg?«
»Es dem Zugriff anderer zu entziehen.«
»Du hast es versteckt?«
»Wenn du so willst.«
Schlemmer sah nach draußen. Schwach dämmerte der Tag herauf.
Es war einfach nicht zu fassen.
Die Welt war ungerecht. Koch besaß zehn Millionen, die werweißwo vor sich hinschimmelten, und ihm waren die Jugoslawen auf den Fersen.
Die Idee drängte sich förmlich auf.
»Hör mal, Koch …« begann
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