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Keine Angst

Keine Angst

Titel: Keine Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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sagte sie kurz angebunden.
    »Nanu«, wunderte ich mich. »Schlecht geschlafen?«
    »Nein.«
    »Was dann? Kommen Sie, Gretchen, lassen Sie mich nicht vor Neugierde sterben. Sind Sie beleidigt? Hab ich Sie zu oft im Schach geschlagen?«
    Sie ging nicht darauf ein. Ihr Blick war nach innen gekehrt. Dann fragte sie unvermittelt: »Liegen hier irgendwo rothaarige Frauen?«
    Einen Moment lang glaubte ich, in einen Film geraten zu sein. Ich starrte sie an.
    »Du lieber Himmel, was Sie für Fragen stellen!«
    »Ende vierzig, schlank, gut gebaut, attraktiv.«
    »Keine Ahnung. Wirklich nicht.« Ich zog mir einen Stuhl heran und nahm ihr gegenüber Platz. »Warum wollen Sie das wissen?«
    Sie zögerte. Plötzlich schien sie es sich anders überlegt zu haben.
    »Ach, Unsinn«, murmelte sie. »Vergessen Sie’s.«
    Ich beugte mich vor.
    »Wenn es irgend etwas gibt, das Sie bedrückt, sollten Sie es mir vielleicht sagen.«
    »Schon gut.« Ihr Mund verzog sich zu einem flüchtigen Lächeln, aber ihre Pupillen zuckten hin und her.
    »Na schön«, sagte ich. »Wie Sie meinen.«
    Ihr Lächeln wurde eine Spur freundlicher.
    »Und Sie? Wie geht’s Ihrem Krankenhaus heute?«
    »Lausig«, gab ich zurück. »Es ist voller Kranker. Tut mir leid, aber wenn Sie nichts mehr auf dem Herzen haben, müßte ich mal wieder an den Schreibtisch.«
    Erneut trat Unruhe in ihren Blick.
    »Natürlich«, sagte sie.
    Das kam mir erst recht seltsam vor. Es war so gar nicht ihre Art, folgsam auf Wiedersehen zu sagen. Im allgemeinen schickte sie mir irgendeine Frechheit hinterher, jetzt schien sie über Nacht handzahm geworden zu sein.
    »Ist wirklich alles im grünen Bereich?« hakte ich vorsichtig nach.
    »Ja doch. Mir geht’s prächtig! Husch, an die Arbeit.«
    Na, wenigstens das.
    Ich versprach ihr, bald wiederzukommen und ging, nicht ohne Sorge.
    Auch die nächsten Tage waren hektisch. Ein Termin jagte den anderen, und so maß ich der merkwürdigen Unterhaltung fast schon keine Bedeutung mehr bei, als sie mir ausrichten ließ, mich dringend sprechen zu müssen.
    Ich will nicht sagen, daß ich alles stehen und liegen ließ. Aber ich beeilte mich.
    »Und?« stellte ich die pluralische Frage, die wir Ärzte nun mal nicht lassen können. »Wie geht’s uns heute?«
    Sie klappte ihren Laptop zu.
    »Wies Ihnen geht, weiß ich nicht. Mir geht’s durchwachsen. Haben Sie fünf Minuten Zeit?«
    »Auch zehn.«
    »Gut. In Ihrem Krankenhaus läuft ein Killer herum.«
    Man gewöhnt sich an alles. Sie ahnen nicht, auf was für Ideen Patienten kommen, wenn sie hysterisch werden oder einfach nur Langeweile haben. Ich nahm es also gelassen, setzte mich und schlug die Beine übereinander.
    »Interessant. Hat er schon jemanden umgebracht?«
    Sie funkelte mich an.
    »Sonst wäre er ja wohl kein Killer, oder?«
    »Verstehe. Lassen Sie mich raten. Rothaarige Frauen Ende vierzig, attraktiv und gut gebaut.«
    »Verdammt richtig.«
    »Oh, Bingo! Wieviele?«
    »Fünf. Bis heute.«
    »So, bis heute. Hm.« Ich legte den Finger an die Unterlippe und versuchte dreinzuschauen wie Columbo. »Das heißt, Sie glauben, er wird weitermorden?«
    »Ich glaube im Moment nur, er ist hier.«
    »Und wissen Sie auch – oder glauben Sie zu wissen – wer es ist?«
    »Jedenfalls kein Patient.«
    »Also einer von uns?«
    »Ja.«
    Ich schwieg. Wie ich es mir gedacht hatte, wurde sie zappelig, schwang die Beine aus dem Bett und ließ sie baumeln.
    »Was ist?« herrschte sie mich an. »Wollen Sie nicht was unternehmen?«
    »Das bliebe abzuwarten«, sagte ich vorsichtig. »Ich könnte einen befreundeten Psychiater anrufen, da Sie es ja offensichtlich vorgezogen haben, die Seite zu wechseln.«
    »Was soll das heißen?«
    »Gretchen, im Ernst, ich fürchte, daß ich Ihnen nicht ganz folgen kann. Ehrlich gesagt war ich bis eben noch der festen Überzeugung, daß Sie mich einfach nur auf den Arm nehmen wollen.«
    »Warum sollte ich das tun?«
    »Weiß nicht. Vor drei Tagen machten Sie dunkle Andeutungen und blieben im Ganzen kryptisch. Jetzt überfallen Sie mich mit Schauermärchen. Möglich, daß wir hier ein paar Rothaarige versammelt haben, aber wir sind weit davon entfernt, sie abzumurksen.«
    »Das sind keine Märchen, verdammt noch mal!«
    Ich überlegte, was ich von der Sache halten sollte. Hin und wieder kommt es vor, daß sich Patienten unter dem Einfluß starker Schmerzmittel oder Psychopharmaka einen handfesten Verfolgungswahn zulegen oder glauben, grüne Männchen durch die Flure schleichen

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