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Keine Angst

Keine Angst

Titel: Keine Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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Speichel, weiß wie Perlen, eingerahmt von dunkelrotem Lippenstift.
    Der Schmerz sticht ins Ohr.
    Cora beschäftigt sich eine Weile mit Seufzen, bis ihr die Jammerei widerlich wird und sie zurück in pochendes Brüten verfällt. Als sie es schon gar nicht mehr erwartet, kommt sie endlich dran.
    Mürrisch folgt sie der Sprechstundenhilfe ins Behand-lungszimmer und taxiert mißtrauisch den Folterstuhl: weißes Leder, Chrom, beinahe elegant. Daneben das Terminal der Instrumente. Raubinsekten in Halterungen, ausgestattet mit Zangen, Klammern, Stacheln, Zacken, Bohrern und zuschnappenden Mandibeln. Als Kind, erinnert sich Cora, wartete sie immer sehnsuchtsvoll darauf, ausspucken zu dürfen in das weiße Emaillebecken. Jedes Ausspucken bedeutete einen Atemzug lang Ruhe für den gepeinigten Nerv und die Hoffnung, das definitiv letzte Mal den Mund abzuwischen, um am Händchen nach Hause geführt zu werden, im linken Auge Reste von Tränenwasser, das rechte den soldatisch aufgereihten Schokoladetafeln im Kioskfenster zugewandt, in eindeutigster Absicht!
    Inzwischen ist die Schokolade gestrichen. Nicht wegen der Zähne. Wegen der Figur.
    »Frau Doktor kommt gleisch«, sagt die Hilfe und bugsiert Cora mit sanftem Druck in die Tiefen des Stuhls. Eine der armen Seelen, die nie begriffen haben, daß vor ein ch nicht notwendigerweise ein s gehört, denkt Cora und freut sich an der Verächtlichkeit dieser minderbemittelten Kreatur mit ihrem Fettarsch unter dem gestärkten Kittel. Eine Brille trägt die vor sich her, daß man dahinter eher selbstgemachte Marmelade vermuten würde als das wässrige Paar Glupsch-augen, die beim Rumstieren fast rauszukullern scheinen.
    »Isset bequem?«
    Cora lächelt freundlich, das hat sie gelernt, während sie sich an der Unvollkommenheit der Person ergötzt. Schön, daß es so was gibt. So was Häßliches, Stinklangweiliges, Mittelmäßiges, und wahrscheinlich sogar noch glücklich dabei. Irgendein schwabbelbauchiges, tätowiertes Warzen-schwein mit Saftnacken wird sie schon drei-, viermal im Monat ficken, sofern besoffen genug. Oder nein, eher einer dieser verklemmten Betriebswirte mit kreisrundem Haarausfall. Direkt doof ist die ja nicht. Immerhin Zahnarzthelferin. Sagen wir mal, bäuerlich schlau, nicht auf den Mund gefallen. Herzlich halt. Liebes Wesen, die gelungenste aller Umschreibungen für so ein durch und durch mißglücktes, nach Zärtlichkeit lechzendes Konglomerat von Fetten und Aminosäuren.
    Cora versucht sich zu entspannen. Über ihr hängt die Behandlungsleuchte wie ein feindliches Ufo. Ohne es zu merken, begibt sie sich in Pose, das eine Bein leicht angewinkelt, die Finger gespreizt, die Lippen geöffnet, Augenlider auf Lamelle. Das Ding ähnelt aber auch zu sehr den Studioleuchten, wenn die nächste Titelseite in den Kasten kommt.
    Smile!
    Im Hintergrund macht die Helferin einen auf Geschäftigkeit. Das Schlurfen ihrer Gesundheitsschuhe ist wie Musik in Coras Ohren. Zum Totlachen! Wie könnte sie sich an diesem Mißgriff der Natur erst delektieren, wenn nicht der verdammte Schmerz in ihrem Kiefer wäre!
    Dann gesellt sich ein neuer Schritt hinzu, kurz, energisch. Eine Gestalt tritt in Coras Blickfeld, streckt ihr die Rechte hin. Schlanke Finger, kräftiger Händedruck.
    »Eich«, sagt Frau Doktor Eich.
    Ihre Stimme ist kühl, aber nicht unfreundlich. Etwas metallisch vielleicht. Auf jeden Fall interessant.
    Sofort hat Cora die passende Schublade gefunden, Abteilung Könnte-hübsch-sein. Das Gesicht ebenmäßig geschnitten, die Nase zierlich, die Augen mandelförmig. Straff nach hinten gekämmtes schwarzes Haar, im Nacken zusammengeknotet. Frau Doktor geht ein bißchen lieblos mit sich um. Schade.
    Aber dafür scheint sie was zu können. Sagt zumindest David, der Stylist. Der hat sie Cora empfohlen. Und David ist eine verdammte Memme, also muß sie gut sein!
    Die Zahnärztin wirft einen Blick auf die Akte in ihrer Hand. »Sie sind das erste Mal bei uns, Frau …« Sie stutzt, runzelt die Brauen und legt einen Finger an die Unterlippe.
    Kurze Nägel, kein Lack, konstatiert Cora. Fünf Millimeter mehr würden’s bringen.
    »Lindfors«, sagt Cora mit warmer Stimme und verbreitert ihr Lächeln. »Cora Lindfors. Ja, ich bin das erste Mal in Ihrer Praxis.«
    Die Ärztin starrt auf die Akte, als hätte sie nicht zugehört. Dann lächelt auch sie. Als sie Cora wieder ansieht, hat sich ihr Blick verändert.
    »Doch nicht die Cora Lindfors?«
    »Naja.« Cora senkt bescheiden die Lider,

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