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Keine Angst

Keine Angst

Titel: Keine Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Schätzing
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mimische Variante Nummer achtundsiebzig, ländliche Beschei-denheit mit freudigem Erröten. »Wenn Sie die letzte Vogue meinen …«
    »Nein. Die meine ich nicht. Ich meine die vierte Klasse in der Genterstraße.«
    Genterstraße?
    Da ist Cora in die Volksschule gegangen. Gab es da eine Eich?
    »Ich war zu der Zeit noch nicht verheiratet.« Frau Doktor gluckst. »Wie auch, mit neun Jahren? Jetzt sag bloß, du erinnerst dich nicht an Susanne Kämper?«
    Susanne Kämper? Du lieber Himmel! An wen man sich alles erinnern soll!
    »Doch, natürlich«, sagt Cora lahm. Zu dämlich, diese Situationen, auf die man nicht vorbereitet ist.
    Die Ärztin droht ihr spielerisch mit dem Finger.
    »Du sollst nicht lügen, Cora. Hast du damals immer schon getan.«
    »Wir waren so viele«, erwidert Cora mit entschul-digendem Grinsen. Susanne Kämper, Susanne Kämper …
    »Ich hatte eine Puppe, die hing an meinem Ranzen«, sagt Frau Eich, beziehungsweise Kämper, die man also kennen müßte. »Und …«
    Und?
    »Haare bis zum Arsch! Ich hatte die längsten Haare in der ganzen Klasse. Weißt du nicht mehr?«
    Susanne strahlt. Cora strahlt auch.
    »Ja, natürlich!« verkündet sie im Tonfall aufrichtigen Wiedererkennens. »Bis zum Arsch. Wie konnte ich das vergessen, das war einzigartig! Jeder hat dich um die Matte beneidet, und du hast es nicht mal gemerkt.«
    Frau Doktor nickt befriedigt.
    Bluff gelungen.
    Aber jetzt muß Cora small talk machen über die elende Schulzeit. Es interessiert sie nicht. Es gilt ihr nicht das geringste, was aus den pickeligen Hühnern von damals geworden ist. All die langweiligen Geschichten über Ehe, Reihenhaus und Kinderkacke.
    »Die Haare sind ab«, stellt sie fest und bedauert im selben Moment, so tief geschürft zu haben. Jetzt wird sie das Schicksal eines jeden einzelnen Haares erdulden müssen. Warum es abgeschnitten wurde, bei welchem Friseur, in welcher Straße und an welchem Tag.
    Susanne schweigt eine Weile versonnen.
    »Ja«, sagt sie schlicht. »Ab.«
    Sie hat eine gute Figur unter dem Kittel, denkt Cora anerkennend. Soll keiner sagen, daß Cora nicht gönnen kann! Sie gönnt jedem, was er hat. Dem Häßlichen seine Häßlichkeit, dem Schönen das Schöne. Ganz besonders sich selber.
    Aber Frau Doktor macht eben nichts aus ihren geschätzten Einfünfundsiebzig – pardon, Susanne natürlich. Man muß sich ja plötzlich duzen, bloß weil man seinerzeit dieselbe Schulbank vollgefurzt hat. Allein der Rock, der da unter dem Kittel hervorknittert, sieht zum Fürchten aus. Und erst die Schuhe! Gut, die Arme muß den ganzen Tag stehen. Aber doch nicht auf Entenfüßen!
    Was könnte man noch Schickes sagen?
    »Tja …« Cora nimmt innerlich Anlauf. »Nun bist du also Zahnärztin geworden. Das ist ja wirklich eine Überraschung. Guck mal, die Kleine mit den tollen Haaren. Zahnärztin! Hihi!«
    »Nicht wahr?« Frau Doktor sieht Cora plötzlich an, als sei sie eine Ware, für die es einen Preis auszuhandeln gäbe. »So kann das gehen. Und was hast du Schönes aus deinem Leben gemacht, hebe Cora?«
    »Model.« Cora sagt es auf eine Weise, daß es lapidar klingt. Was ist schon dabei, Model zu werden, wenn man gut aussieht – wenn man gut aussieht.
    »Aufregender Beruf?« forscht Susanne.
    »Geht so. Anstrengend.«
    »Ja, sicher.« Mit der Akte in der Hand verschwindet Susanne Eich hinter den Behandlungsstuhl. Cora hört das Rascheln von Papier, dann, wie Schubladen aufgezogen werden, das Klappern von Metall. »Naja, in meiner Praxis bist du noch ein unbeschriebenes Blatt, Cora. Damals in der Schule warst du das nicht. Wir haben dich alle bewundert.«
    »Nicht doch!« Natürlich haben alle das. »Warum?«
    »Du warst halt was besonderes. Hast immer posiert und so. Hattest du nicht sauschlechte Noten?«
    Cora runzelt die Stirn. Eigentlich unverschämt, die Frage. Warum unternimmt die blöde Ziege nicht endlich etwas gegen ihre Zahnschmerzen?
    »Ja«, gibt sie mürrisch zurück. »Ich glaube schon.«
    »Dachte ich mir. Und du bist dir wirklich sicher, daß du dich an mich erinnerst?«
    »Natürlich.«
    »Fein. Waren wir Freundinnen?«
    »Ich … denke schon. Warum fragst du?«
    Susanne Eich kommt auf der anderen Seite des Stuhls wieder zum Vorschein.
    »Nur so. Weißt du, daß ich immer wie du sein wollte?«
    »Nein.«
    »Doch. Aber jetzt bist du das Model. Na, war ja irgendwie vorauszusehen!«
    »Und du ziehst anderen die Zähne.«
    »Richtig. Oder auch nicht richtig.« Einen Augenblick lang lächelt Susanne

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