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Keine E-Mail fuer Dich

Keine E-Mail fuer Dich

Titel: Keine E-Mail fuer Dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Kuehne
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suchen, bis man die eigenen Wünsche verstanden fühlt. Die Freude, verstanden zu werden, ist wichtiger als der Orgasmus. In der Erwachsenensexualität macht gerade das Lust, was frühe Konflikte, Demütigung oder Ohnmachtsgefühle hervorgerufen hat.
    Der pathologische PC -Internet-Gebrauch ist von anderen Krankheitsbildern abzugrenzen, z. B. dem gesteigerten sexuellen Verlangen. Die Betroffenen, meist Männer, sind viele Stunden tagtäglich in erotischen Chats oder Sexforen unterwegs, laden pornografische Bilder und Filme runter. Eine Hypersexualität, also ein gesteigertes sexuelles Verlangen, ist eine eigenständige Störung, die nicht nur über den PC ausgelebt wird, sondern auch in der realen Welt Wege findet.
    Unsere Gesellschaft ist mittlerweile übersexualisiert. Sex ohne Hemmungen und ohne jede Bindungen, der die Grenzen des scheinbar Verbotenen überschreitet, hat überhandgenommen. Der »neue Sex« ist angekommen, er ist autonom und autark und wird nur noch nach Befriedigungsgesichtspunkten bewertet. Hardcorepornos, Fesselpraktiken, Partnertausch, Gangbang, Gruppensex, Doppel- und Dreifachpenetration, Sex mit Exkrementen werden banalisiert. Die Sexualisierung der Welt, die uns die Medien vor Augen führen, entspricht nicht der Realität. Vielmehr ist die Suche nach einer dauerhaften Beziehung und der Traum vom großen Liebesglück in allen Köpfen ständig präsent.
    Ein Fallbeispiel:
    Tatjana, 28 Jahre alt, ist von recht korpulenter Gestalt und auf dem regulären Arbeitsmarkt aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr einsetzbar. Rücken, Gelenke, alles tut ihr weh. Ständig war sie krankgeschrieben, schließlich wurde ihr gekündigt. Das viele Gewicht war schon immer ein großes Problem, ihr Leben lang sei sie ständigen Hänseleien ausgesetzt gewesen. Mehrmals habe sie versucht, wenigstens ein paar Kilo abzunehmen. Einen Freund hat Tatjana über das Internet kennengelernt, dieser wohnt allerdings 150 Kilometer entfernt in einer anderen Stadt, sodass man sich meist nur einmal im Monat am Wochenende sieht. Diese Fernbeziehung ist ihr einziger Halt. Tatjana fristet täglich ihr arbeitsloses Dasein zu Hause und surft oft aus Langeweile im Internet. Durch eine Bekannte kommt sie mit einer Internetflirtline in Kontakt. Sie meldet sich dort als Mitarbeiterin an und telefoniert nun tagtäglich mit einsamen, frustrierten Männern. Ein Anruf bei ihr kostet 1,99 Euro pro Minute, davon verdient sie 20 Cent plus Bonus. Über ein wunderschönes Fake-Profil mit einem falschen Foto wird das Interesse der männlichen Kunden geweckt. Tatjana macht ihre neue Arbeit großen Spaß, sie führt die Top Ten der besten Mitarbeiterinnen des Monats an. Sage und schreibe 86 Minuten schafft sie es im Durchschnitt, die sehr erregten Männer in der Telefonleitung zu halten. Ihr Selbstwertgefühl ist seitdem stetig gestiegen. Was die Männer von ihr bekommen, wüsste sie eigentlich nicht, denn sie würde sich ja nie mit denen treffen. Aber zuhören, das könne sie gut. Vor einer Webcam würde sie sich mit ihrem Übergewicht nie ausziehen, aber sie kenne mittlerweile einige Kolleginnen, die das machen. Dort seien die Verdienstmöglichkeiten bedeutend höher. Ich frage Tatjana, ob die strippenden Damen nicht ihre Würde verlieren? Über so etwas machen die sich keine Gedanken, antwortet sie mir.
    Hemmschwellen sinken immer mehr, Angebot und Nachfrage solcher und auch anderer Dienste steigen reziprok. Auch hier begünstigt das Internet die Entfremdung vom Selbst, der Service wird gern genutzt, da man mit dem Mensch an sich keinen persönlichen Kontakt mehr haben muss.
    Tatjana nutzt die Nachfrage dieser Dienste, verdient damit Geld, und durch die Arbeit bei der Flirtline steigt ihr Selbstwertgefühl. Ohne diese Arbeit fühlt sich Tatjana verloren und einsam. Ihre Mutter und auch ihr Vater haben sich von ihr abgewendet. Sie leidet sehr darunter und möchte mithilfe einer Therapie lernen, damit fertig zu werden und sich intensiv mit ihrer Familiengeschichte auseinanderzusetzen. Mit 12 Jahren hatte man sie im Kinderheim abgegeben, und danach hatte sie nur noch selten Kontakt zu ihren Eltern. Sie habe das Gefühl, beziehungsunfähig zu sein. Eine eigene Familie zu gründen, könne sie sich nicht vorstellen. Die Arbeit im Internet gibt ihr das Gefühl, als Mensch überhaupt etwas wert zu sein, »sonst sei sie zu nichts zu gebrauchen«.
    Ein anderer Fall:
    Rudi, 53 Jahre alt, verheiratet, Bauunternehmer, ein etwas unsicher wirkender Mann, kommt

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