Keine E-Mail fuer Dich
Rüdiger schwanger werden. Dann wäre sie wunschlos glücklich.
Erst vor Kurzem hat sie wieder versucht, Rüdiger zu verführen. Er saß auf der Couch vor dem Fernseher, und sie hat sich an ihn gekuschelt. Er aber hat sie komplett ignoriert. Als sie dann ins Bett gingen, startete sie einen zweiten Versuch. Er meinte, sie solle nicht immer so aufdringlich sein, ließ sie aber dann gewähren. Der Akt an sich wurde mittendrin unterbrochen, da Rüdigers Erregung deutlich nachließ. Sie drehte sich zur Seite, weinte und fühlte sich wieder mal abgewiesen, wie so oft. Es wäre schön, wenn er sie mal in den Arm nehmen würde, vor allem, wenn sie weine. Sie schwiegen sich aber nur an, wie immer.
»Nicht miteinander reden können« wird in meiner Praxis häufig als Problem formuliert. Das gab es früher auch schon. Nach dem Motto »Die Probleme verschwinden von allein, wenn man wartet« wird heute genauso agiert, mit dem Unterschied, dass der Partner schneller austauschbar ist.
Am nächsten Morgen war alles so, als wenn gar nichts passiert wäre: Betont fröhlich setzte sich Rüdiger an den Tisch im Esszimmer. Das Frühstück hatte sie ihm vorbereitet. Zwei Brötchen lägen immer aufgeschnitten auf seinem Teller, so habe er es gern. Sein Lieblingskäse stehe direkt vor ihm, daneben die Butter. Die Tasse bleibe noch leer. Rüdiger pflegt erst zum Ende seiner Mahlzeit seinen Kaffee zu trinken. Links neben ihm auf dem Tisch legt sie immer die Zeitung hin, die Sportseite schon aufgeschlagen. Sie sitzt neben ihm auf der rechten Seite, und er regt sich auf: über Sportergebnisse, dann die Politiker, und hält anschließend einen Vortrag über die Rettung der Welt. Dann fragt er sie nach ihrer Meinung, winkt dann ab und sagt: »Tina, davon verstehst du nichts.« Fast jeden Tag dürfe sie sich das anhören. Neben ihm fühle sie sich richtig klein und dumm.
Tinas Durchhaltevermögen scheint ungebrochen.
Rüdiger sei mit ihr zusammen, weil sie jung und schön sei, so was passiert ihm auch nicht alle Tage. Was Besseres als sie könne er gar nicht finden. Er solle ihr dankbar sein.
Allerdings gäbe es da etwas, was sie besonders an Rüdiger stört. Wenn sie staubsauge, finde sie regelmäßig benutzte Taschentücher unter seinem Schreibtisch, die sie dann entsorge. Er säße an seinem Computer und befriedige sich selbst, das sei ja wohl ganz klar. Das machen schließlich alle Männer.
Sie habe ihn schon mehrmals zur Rede gestellt, aber er streite es immer ab. Sie sagt ihm, er solle das gefälligst lassen oder wenigstens die Taschentücher wegräumen. Das sei ja eklig. Sie habe sich schon wie ein Detektiv auf die Lauer gelegt, um ihn in flagranti zu erwischen. Das sei ihr leider noch nicht gelungen, aber sie bemühe sich weiterhin. Auf seinem Computer habe sie auch schon rumgesucht: Was sie da für Bilder, Filme und Internetseiten gefunden habe, da sei sie fast vom Stuhl gefallen. Diese Sache bereite ihr schlaflose Nächte. Sie sei eifersüchtig auf die Mädchen im Internet. Die schaue er wenigstens an, sie nicht. Es mache sie krank, sie habe schon einen richtigen Kontrollzwang entwickelt.
Wenn sie abends nach Hause komme und Rüdiger sei schon da, rennt sie als Erstes in sein Arbeitszimmer. Finde sie keine Taschentücher, lege sie ihre Hände auf den Bildschirm, um die Temperatur zu fühlen. Sei dieser noch warm oder lauwarm, wisse sie genau, was Rüdiger wieder getrieben habe: Sex ohne sie. Er sitze dann ganz brav auf dem Sofa, schaue Nachrichten oder politische Talkshows, und sie möchte ihm am liebsten ins Gesicht schlagen. Wenn sie ihn zur Rede stelle, erwidere er lapidar, sie würde sich das alles nur einbilden.
Sex vor dem Monitor ist für viele Frauen ein Problem. Was gab es schon für Eifersuchtsdramen, Männer wurden von ihren Frauen zur Paartherapie verdonnert, und was hat’s am Ende gebracht? Nichts. Der Mann sieht in seinem Tun kein Fehlverhalten. Ich verstehe das Masturbationsverbot, welches Frauen ihren Männern auferlegen, auch nicht.
Natürlich habe sie ihm gesagt, dass es so nicht weitergehe und ihn gefragt, ob er denn keine Kinder wolle. Er möchte auch ein Kind, aber er scheint nichts dafür tun zu wollen. Der Klapperstorch werde ihr sicher kein Kind vorbeibringen! Sie haben jetzt vereinbart, dass sie ihm Bescheid geben soll, wenn sie ihre fruchtbaren Tage hat. Er stehe dann zur Verfügung, hat er versprochen. Von ihren Online-Seitensprüngen wisse Rüdiger nichts, sonst hätte er sicher mal was gesagt. Das
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