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Keine E-Mail fuer Dich

Keine E-Mail fuer Dich

Titel: Keine E-Mail fuer Dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Kuehne
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sein. Ingo konnte Arianes Pläne nicht so ganz nachvollziehen. Sie sei »viel zu gut« für ihn, er habe sie nicht verdient, außerdem sei er arbeitslos und könne ihr nichts bieten. Beide einigten sich darauf, dass man später noch mal darüber reden könne. Ariane fuhr wieder mit dem Zug nach Hause und schaltete dann ihren Computer an. Ingo hatte jeden Kontakt zu Ariane gekappt, sie aus Freundeslisten gelöscht, seine Zugänge für sie gesperrt, sich eine neue E-Mail-Adresse zugelegt und das Handy ausgeschaltet. Ariane war geschockt und ist nun am Boden zerstört, weiß sie doch nicht, was sie falsch gemacht hat. Sie versteht das Ende der »Beziehung« nicht, denn sie hätten sich doch so sehr geliebt. Ich frage sie, ob man schon von einer Beziehung sprechen kann, wenn man sich zweimal real getroffen hat. Davon ist sie überzeugt, schließlich haben sie miteinander geschlafen, und die Zeit davor und zwischendurch, als sie online miteinander kommuniziert haben, zähle doch auch mit. Somit seien sie insgesamt ein halbes Jahr »zusammen gewesen«.
    Soziale Netzwerke oder Partnerbörsen vermitteln »digitale Intimität«. Das verleitet Menschen dazu, sich schneller miteinander vertraut zu fühlen, schneller miteinander ins Bett zu gehen. In einer neuen Online-Studie gaben 38 Prozent der befragten Frauen an, dass sie eher mit einem Mann geschlafen haben, weil sie sich vorher im Netz nähergekommen seien. Auch das Beenden der Beziehung sei ganz leicht: 43 Prozent der Frauen und 27 Prozent der Männer gaben zu, dass mit ihnen schon digital Schluss gemacht wurde. Was für eine Entwicklung, in der die Beziehungen und auch der Mensch selbst immer weiter abgewertet werden! Der Mensch wird missachtet und die Liebe oder Beziehung als solche per Knopfdruck einfach weggeworfen, gelöscht, ausradiert.
    Die lebenslange ewige Liebe, wie sie früher propagiert wurde, bleibt als romantische Erinnerung zurück. Wir sind immer weniger bindungsfähig, wollen alles schön unverbindlich halten. Steht uns ein Ende der großen Gefühle bevor, weil wir bald nur noch mittels Internet als Zwischenmedium kommunizieren können? Werden wir nur noch dort Zuwendung und warme Worte bekommen? Wird die körperliche Liebe, wie wir sie kennen, aussterben?
    Wird es so starke Gefühle und Leidenschaften zwischen zwei Menschen wie in Benoîte Groults Roman Salz auf unserer Haut bald nicht mehr geben? »Welche Worte hätten im Übrigen die Empfindung auszudrücken vermocht, die uns überflutete und die offensichtlich vollkommen unpassend und absurd war? Das Gefühl, dass sich unsere Körper erkannten und unsere Seelen – denn unsere Hirne waren es nicht – danach strebten, sich zu vereinen, ohne Rücksicht auf all das, was uns auf dieser Welt trennen konnte.«

DER GANZ NORMALE WAHNSINN
    Tina und Rüdiger
    U m die Dynamik des Themas Partnersuche im Internet und wie heute Beziehungen geführt werden in seiner ganzen Bandbreite zu verdeutlichen, möchte ich hier in etwas ausführlicherer Form von Tina und Rüdiger erzählen. Ein »Fall«, wie er so oder ähnlich häufiger vorkommt, als man sich das vorstellen möchte.
    Es ist Mittwoch, eine neue Klientin kommt herein. Sie setzt sich auf die schwarze Ledercouch. Ich biete ihr ein Glas Wasser an und stelle es vor sie auf den Glastisch. Sie wirkt etwas unsicher. Ich sitze in meinem großen schwarzen Ledersessel, und die junge blonde Frau, die mir gegenübersitzt, holt erst mal ganz tief Luft.
    Sie kann keine Kinder bekommen, und ich soll ihr helfen. Sie ist seit drei Jahren in einer Beziehung, und es läuft nicht so, wie sie das geplant hatte.
    So mag ich’s gern: Jemand kommt und rückt gleich ganz direkt mit der Sprache heraus.
    Ihr Lebensgefährte will einfach nicht mit ihr schlafen, schon von Anfang an. Ich soll herausfinden, was mit ihm nicht stimmt. Sie will sich mit ihm »etwas« aufbauen, eine Familie gründen. Sie ist jetzt 34, und ihr läuft die Zeit davon. Er ist 15 Jahre älter als sie, und sie erwartet selbstverständlich erotisches Interesse an ihrer Person.
    Ich schweige und vermute erst einmal ein Potenzproblem.
    In ihrer Beziehung hat es von Anfang an keine große Leidenschaft gegeben. Sie hatte sich damals von ihrem Freund getrennt und sich sofort unendlich einsam gefühlt. Sie hat sich dann für eine Online-Partnersuche entschieden. Das sei schnell und effektiv, sagt sie. Es hätte auch sehr romantisch angefangen mit ihrem Rüdiger. Das erste Date fand an einer Schiffsanlegestelle statt.

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