Keine E-Mail fuer Dich
sehr schnell und malt sich in seinen Fantasien eine gemeinsame Zukunft mit Familie und Kindern aus.
Ein typisches Szenario mit zeitlichem Ablauf sieht bei ihm folgendermaßen aus: Eine Frau schreibt ihn an. Falls sie ihm gefällt, schreibt er flirtend zurück, man chattet oder skypt dann. Das geht ungefähr zwei Wochen so, bis das erste reale Date zustande kommt. Man trifft sich im Café, die Frauen fragen ihn meist ihren »Fragenkatalog« ab. Er sagt, es sei, als hätten sie einen Einkaufszettel dabei, den man abarbeiten müsste. Man trifft sich danach noch ein- bis zweimal, bis man in der »Kiste« landet. Sexuell passt es für Frank auch erst mal ganz gut. Er verfällt dann in seine Zukunftsfantasien und versucht, die Beziehung irgendwie zu gestalten: telefoniert täglich, trifft sich meist zweimal wöchentlich. Mehr Zeit bleibt aus Arbeitsgründen leider nicht. Nach vierwöchigem Techtelmechtel wird die Dame seiner Mutter vorgestellt. Man unternimmt mal etwas, fährt ein paar Tage an die Ostsee, am besten gleich mit seinen Freunden, da kann er sofort überprüfen, ob sie auch mit seinen Kumpels gut harmoniert. Dann ist der Punkt gekommen, wo sich bei Frank die ersten Widerstände regen. Die Dame wird dann in der Therapie sehr kritisch von ihm beäugt und auch die Beziehung insgesamt angezweifelt, denn plötzlich kann er sich keine Kinder mehr mit ihr vorstellen. Frank möchte Ratschläge, wie er die jeweilige Kurzzeitfreundin am besten wieder los wird. Er schiebt die Trennung dann noch einige Wochen vor sich hin, bis er eine neue Dame kennengelernt hat. Das Ganze geht dann wieder von vorn los. Getrennt wird sich meist per E-Mail, ist einfacher für Frank, denn er kann keine weinenden Frauen ertragen.
Frank wurde als Baby adoptiert, weigert sich aber, sich mit diesem Thema in der Therapie auseinanderzusetzen. Stattdessen füllt er die wöchentliche Stunde mit Erzählungen über seine aktuelle Online-Freundin. Immer wieder konfrontiere ich ihn mit seiner Adoption, aber er reagiert mit Widerstand. Er erklärt mir, dass er nicht glaube, dass sein Unwohlsein damit zusammenhänge, er habe schließlich eine schöne Kindheit gehabt.
Ich beobachte, dass die Frustration bei der Partnersuche im Internet zunimmt. Viele Menschen gehen davon aus, dass sie, wenn sie im Internet keinen Partner finden, auch im wahren Leben niemanden finden werden. Durch das Internet gibt es die Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen oder zu halten. Aber um wirkliche Beziehungen zu führen, kommt niemand um die reale Welt herum. Ein weiteres Fallbeispiel:
Ariane, 38 Jahre alt, Verwaltungsfachangestellte. Sie hatte sich im Internet in einen zwanzigjährigen Mann aus Duisburg verliebt. Dieser hat sie jetzt verlassen, und sie kommt über die Trennung nicht hinweg. Bis vor drei Monaten lebte Ariane in einer langjährigen Ehe, in einem schönen Haus mit Garten. Mit dem Ehemann gab es seit Jahren eine friedliche Koexistenz, bis sie vor einem halben Jahr Ingo im Internet begegnete. Dieser flirtete und schmeichelte ihr sehr. Begehrt zu sein, war für Ariane ein ungewöhnliches, aber schönes Gefühl. Stundenlang telefonierte und chattete sie mit Ingo, bis man sich nach Monaten entschloss, sich persönlich kennenzulernen. Ariane setzte sich in den Zug und machte sich auf den Weg nach Duisburg, um mit Ingo ein erstes Wochenende zu verbringen. Da Ingo noch bei seinen Eltern wohnte, reservierte Ariane ein Hotelzimmer, damit die beiden auch gleich »zur Sache« kommen konnten. Die beiden trafen sich erst mal im Café am Bahnhof, und Ariane betonte immer wieder, Ingo könne es sich ja noch einmal überlegen, ob er mit ihr eine Beziehung haben möchte, auch wegen des Altersunterschieds. Ingo bejahte weiterhin seine Absichten, man verbrachte dann den Abend gemeinsam im Hotelzimmer und schlief miteinander. Am Sonntag fuhr Ariane glückselig mit dem Zug nach Hause und machte nach ihrer Ankunft gleich Nägel mit Köpfen. Sie trennte sich von ihrem Ehemann, suchte sich eine Wohnung und zog mit ihren drei Hunden aus dem gemeinsamen Haus aus. Ihre »Beziehung« zu Ingo führte sie munter weiter. Weiterhin wurde jeden Abend gechattet, über Skype telefoniert und gemailt. Dann machte sich Ariane ein zweites Mal auf den Weg nach Duisburg. Wieder reservierte sie ein Hotelzimmer für sich und Ingo, wollte diesmal ihre gemeinsame Zukunft besprechen. Ariane hatte sich in den Kopf gesetzt, bald wieder umzuziehen, diesmal nach Duisburg, dann könnten die beiden immer zusammen
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