Keine E-Mail fuer Dich
sei für ihn ein ganz brisantes Thema: Seine Exfrau sei auch fremdgegangen, er habe damals verdächtige SMS auf ihrem Handy gefunden. Sie sichere sich deshalb genau ab, damit nichts rauskommt. Sie habe ein zweites Telefon, das liege in ihrem Büro. Offiziell gehe sie dann immer mit einer Freundin ins Kino.
Ihren Online-Treffen gehe sie schon seit drei Jahren nach, seit sie Rüdiger kennt. Er wäre sicher sehr enttäuscht von ihr, wenn er wüsste, was sie tatsächlich tue. »Danach« habe sie auch manchmal ein schlechtes Gewissen.
Manchmal glaube sie, sie sei doch etwas ungerecht: Sie schlafe mit anderen Männern und erlaube ihm nicht, sich selbst zu befriedigen. Sie würde ja damit aufhören, wenn er sich doch endlich um sie kümmern würde. Er habe ihr für die Therapie seine volle Unterstützung zugesagt, und sie möchte Rüdiger so schnell wie möglich bei mir vorbeischicken.
Rüdiger kommt und berichtet, Tina hätte ihn vor einigen Monaten zur Paartherapie geschleppt. Da sei er nur einmal gewesen, da gehe er nie wieder hin. An ihm solle ich gefälligst nicht versuchen »herumzudoktern«, mit ihm sei schließlich alles in bester Ordnung. Er sei zwar in der Beziehung nicht zufrieden, aber es läge an ihr und nicht an ihm. Wenn er zu Hause sei oder nach Hause komme, fühle er sich wie in einer Kampfzone. Geschlagen habe sie ihn noch nicht, das solle sie mal wagen, da könne sie gleich ausziehen.
Ich stelle mir vor, wie Tina Rüdiger fast vergewaltigt.
Sie sei ständig am Putzen und würde ihn immer kontrollieren. Er verstehe nicht, warum man jeden Tag Staub saugen muss. Ständig werde er kritisiert und zur Rede gestellt: »Räum doch mal den Geschirrspüler aus!«, »Wie oft soll ich dir das denn noch sagen?«, »Was machst du eigentlich, wenn ich nicht zu Hause bin?«, »Warum willst du nicht mit mir schlafen?« Er habe halt nicht so viel Interesse an Sex. Er liebe sein Haus, seinen Garten und sein Boot. Für all das brauche er viel Zeit. Er habe außerdem ein Unternehmen zu führen. Wenn er nach Hause komme, wolle er einfach nur seine Ruhe.
Rüdiger möchte brav leben, so wie die Gesellschaft und vor allem seine Mutter das von ihm erwarten. Dass er sich damit keinen Gefallen tut, fällt ihm gar nicht auf.
In ein trautes Heim gehöre halt auch eine Frau, darum habe er sich Tina »zugelegt«. So ganz allein zu wohnen, das wäre nichts für ihn. Eigentlich möchte er Kinder, aber da komme natürlich ein riesiger Kostenfaktor auf ihn zu. Eins wäre schon nett, aber Tina nerve ihn mit ihren Annährungsversuchen. Sie werde dann immer zudringlich: im Bett, auf der Couch, und letztens sei sie sogar zu ihm unter die Dusche gekommen. Morgens habe er für solchen Blödsinn keine Zeit. Er wisse ja, dass sie sich ein Kind wünsche, darum haben sie jetzt die Abmachung getroffen, dass sie ihm Bescheid geben soll, wenn ihr Ovulationstest positiv sei. Ihr Eisprung sei dann in den nächsten 24 bis 36 Stunden. Dann müsse er halt »ran«, da habe er sich ganz schön was eingebrockt.
Er könne nicht allein sein. Dieses Gefühl der Einsamkeit könne und wolle er nicht ertragen. Er könnte sich ja eine Freundin suchen, die vielleicht besser zu ihm passt, aber das sei schwierig. Er und Tina haben sich übers Internet kennengelernt.
Da zeigt sich das Problem des Nicht-allein-sein-Könnens, mit dem so viele zu kämpfen haben. Lieber mit jemandem zusammen sein, mit dem es irgendwie passt, wenigstens eine Weile, bis der oder die Nächste da ist.
Er habe sich damals bestimmt mit zwanzig Frauen getroffen. Tina war die Schönste. Die Fotos im Internet haben ja meist mit der Realität nichts zu tun. Auch bei Alter, Gewicht und Konfektionsgröße würden die Frauen schummeln. Die meisten interessierten sich nur für seinen Beruf, sein Haus und was für ein Auto er fahre. Die wollten alle nur einen Typ mit Geld. Tina war anders. Sie wirkte sehr bodenständig und bescheiden. Als Lebensgefährtin passe sie ganz gut zu ihm. Hätte er vorher gewusst, dass Sex ein so großes Thema werden würde, hätte er sich vielleicht nicht für sie entschieden.
Die meisten Männer würden sich über eine stark sexuell orientierte Frau sicherlich freuen, denke ich mir.
Er müsse zugeben, dass er zwischenzeitlich immer wieder mal nach neuen Frauen schaue. Er habe sich heimlich bei einem anderen Internetportal angemeldet. Er schreibe sich seit Monaten mit einer wunderschönen Studentin, die in Kopenhagen lebt. Sie sei so schön, so rein, so natürlich –
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