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Keine Frage des Geschmacks

Keine Frage des Geschmacks

Titel: Keine Frage des Geschmacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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selbsternannten Bürgerwehr behaupten, sie hätten ihn bei einem Vergewaltigungsversuch erwischt.«
    »Unmöglich.«
    »Wir werden jeden einzeln durch die Mangel drehen. Verlass dich drauf.«
     
    Mit Blaulicht und Sirene war er zum Schloss Miramare gerast und hatte während der Fahrt den Rettungsdienst und das Präsidium verständigt. Erst vor dem massiven Torbogen zum Park verlangsamte er die Fahrt, um gleich wieder das Gaspedal durchzudrücken, kaum dass er ihn passiert hatte. Nur ein paar Zentimeter fehlten, und er hätte vor dem Hauptportal des weißen Schlosses den Wagen in den Brunnenteich gesetzt, weil er hart abbremsen musste, um die Tische des Catering der Filmproduktion nicht über den Haufen zu fahren. Drei Leute rannten auf ihn zu und fuchtelten aufgeregt mit den Armen.
    »Pscht!«, rief ein junger Mann und legte den Finger auf die Lippen, als er Laurenti erreicht hatte. »Wir drehen einen Film. Silenzio!« Mehr Italienisch beherrschte er offensichtlich nicht.
    Die Reifen knirschten im Kies, als Laurenti wieder anfuhr, doch plötzlich sprang ihm eine junge Frau in den Weg, und er brachte den Wagen gerade noch rechtzeitig zum Stehen.
    »Halt, Papà! Warte. Du kannst da nicht durch!«
    »Livia, spinnst du? Um ein Haar hätte ich dich überfahren. Was geht hier vor?«
    »Wir drehen dort hinten.«
    »Und weshalb, glaubst du wohl, fahre ich mit Blaulicht und Sirene? In welchem Film bin ich eigentlich? Sag mir lieber, wo die Statue von Amedeo d’Aosta steht«, schimpfte Laurenti, schlug mit der Hand aufs Lenkrad und gab Gas.
    Lange hatte er den Park nicht mehr besucht, nur vage erinnerte er sich an den Standort der Statue. Hinter der ersten Kurve blockierte ein Streifenwagen mit aufgerissenen Türen den Weg, und zwei Schauspieler gingen mit hängenden Schultern darauf zu. Auch die Filmkommissarin trat, gefolgt von zwei Gangstern mit dunklen Brillen, aus einem Gebüsch. Das ganze Team starrte auf Laurentis Alfa Romeo, dessen Räder eine tiefe Spur in ein sorgsam angelegtes Blumenbeet frästen.
    Einige hundert Meter weiter hatte er im nördlichen Teil des Parks endlich die Skulptur auf dem Marmorsockel ausfindig gemacht. Unter dem starren Blick des bronzenen ehemaligen Vizekönigs von Äthiopien stieg er aus und zog die Waffe. Er musste nicht lange suchen. Drei grobschlächtige Männer in phosphorgelben Jacken mit der Aufschrift »Volontari della Sicurezza« beobachteten skeptisch jeden seiner Schritte.
    »Wo ist er?«, fragte Laurenti, steckte die Beretta ins Holster und hielt ihnen den Dienstausweis vor die Nase.
    »Wer hat Sie verständigt?«, fragte der Boss der kleinenGruppe. Er hatte einen kahlgeschorenen knallroten Bullenkopf mit einem blonden Schnauzbart, dessen Spitzen bis ans Kinn hingen. Gemächlich zeigte er mit dem Daumen hinter sich, machte aber kaum Anstalten, aus dem Weg zu gehen. Ein Blutfleck prangte an seinem Ärmel.
    »Die Fragen stelle ich«, sagte Laurenti. Er vernahm Sirenengeheul, das sich rasch näherte, als er sich zu Alberto hinabbückte, der röchelnd auf dem Bauch lag. In seiner linken Hand hielt er das Mobiltelefon, mit dem er um Hilfe gerufen hatte, unter seiner Brust versteckt.
    »Kannst du sprechen?«
    »Sieh nach der anderen.« Albertos Worte waren kaum zu verstehen.
    Fünf Meter weiter lag eine Frau mit rotem Kurzhaarschnitt und einem roten Kleid, das ihr bis zur Hüfte hochgerutscht war, ihre blutverschmierte Hand lag auf ihrem Hals. Das Sirenengeheul von Notarzt- und Krankenwagen näherte sich und verstummte auf einen Schlag.
    »Fordern Sie noch eine Ambulanz an!«, befahl Laurenti einem der Sanitäter, während sein Kollege sich über Alberto beugte und der Notarzt mit dem Finger nach der Halsschlagader der Frau tastete. Blutverschmiert zog er ihn zurück und gab lautstark Anweisungen.
    Laurenti rannte zu seinem Wagen und kam mit Latexhandschuhen und einem Plastikbeutel zurück. Er öffnete die zur Faust geballte rechte Hand der Frau und entnahm ihr mit spitzen Fingern ein dünnes Büschel Haare. Dann überließ er sie dem Arzt.
    »Wir gehen, Jungs«, sagte der Bullenkopf.
    »Sie bleiben ganz artig hier!« Laurenti wandte sich wie vom Blitz getroffen um. »Ihre Papiere, bitte.«
    »Wir haben nur unsere Pflicht getan«, trotzte der Anführer und klopfte seinen beiden Männern auf den Rücken.
    »Darüber entscheiden wir später.«
    »Das Schwein hat versucht, die Frau zu vergewaltigen. Das haben wir ihm vermasselt.«
    »Ihre Ausweise, bitte.«
    Widerwillig kramten sie ihre

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