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Keine Frage des Geschmacks

Keine Frage des Geschmacks

Titel: Keine Frage des Geschmacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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Platz gestanden. Seine Assistentin musste sie in einem Anfall von Missgunst versteckt haben. Was bewahrte sie nicht alles in den Schubladen ihres Schreibtischs auf? Er fand eingetrockneten Nagellack, Lippenstift, Deodorant, Haarbürste und Spangen, ein paar aufgerollte Nylonstrümpfe, Zigaretten, Kaugummi, Manikürbesteck, drei alte Ladegeräte für Mobiltelefone, CDs, Präservative, billige Ohrringe und anderen Modeschmuck, zwei zerkratzte Sonnenbrillen, Swatch-Uhren, Hand- und Gesichtscreme, Visitenkarten ihrer Verehrer – nur kein Büromaterial, und erst recht keinen Kaffee. In ihrem Schrank wurde der Commissario schließlich fündig. Erst als ein mächtiger Stapel Unterwäsche, Büstenhalter und spitzenbesetzte Stringtangas, aus dem obersten Fach rutschte und sich über den Boden verteilte, fiel sein Blick auf die Aluminiumdose mit den Pads. Laurenti bückte sich fluchend und legte die Dinger Stück für Stück zusammen.
    »Was ist denn das? Sind Sie ein Fetischist?« Pina schaute mit offenem Mund zu.
    »Spurensicherung, Pina. Wollen Sie auch einen?« Er stopfte die Wäsche in das Spindfach zurück.
    »So was trage ich nicht.« Sie gähnte.
    »Einen Espresso, Pina?« Er trug die Aluminiumdose zur Maschine und legte einen Pad ein. »Weshalb machen Sie sich Vorwürfe?«
    »Ich war bis zwei Uhr heute früh im Büro«, antwortete sie nervös. »Kurz nach Mitternacht brachten die Kollegen eine äußerst verstörte Frau in einem roten Kleid und mit feuerroten Haaren zu mir, deren Aussage ich aufnehmen musste.«
    »Ach ja? Die im Park etwa?«
    Pina nickte. »Eine englische Journalistin, die erst seit ein paar Tagen in der Stadt ist und angeblich eine Reportage überden Kaffeehafen schreibt. Sie behauptete, sie würde verfolgt und fürchte um ihr Leben. Sogar Namen und Adresse ihres Verfolgers hat sie angegeben, er wohnt da drüben im letzten Stock des Hochhauses. Aurelio Selva heißt er, arbeitet bei Raccaro. Er ist Linkshänder und trägt eine Halskette mit einem roten Klunker. Die Geschichte kam mir reichlich komisch vor. Sie kennt den Verfolger angeblich nicht persönlich. Ich habe sie für vierzehn Uhr einbestellt.«
    »Schon wieder Raccaro! Wer ist diese Frau?« Laurenti ließ eine zweite Tasse aus der Maschine und reichte sie der Inspektorin.
    »Vierundvierzig Jahre alt, ziemlich attraktive Erscheinung. Sie behauptete, sie sei aus zwei Gründen in der Stadt: Zum einen schreibt sie eine Reportage über die Kaffeeindustrie, ferner interessiere sie der Erpressungsversuch an der englischen Politikerin. Der Kerl, der hinter ihr her war, sei der auf den Fotos.«
    »Woher weiß er dann, dass sie sich für ihn interessiert, wenn sie ihn angeblich nicht kennt? Sie hat ihnen nicht alles erzählt, Pina. Hat diese Frau vielleicht auch einen Namen?«
    »Miriam Natisone.« Mit zitternden Fingern führte sie die Tasse zum Mund.
    »Besonders britisch klingt das nicht.« Laurenti war ihre Anspannung nicht entgangen.
    »Ich habe die Natisone von einer Streife in ihre Wohnung bringen lassen. Leider hat sie nicht erzählt, dass sie in den Schlosspark wollte. Ich hätte sie keine Sekunde aus den Augen gelassen.«
    »Nur diese Filmleute hatten zu der Zeit eine Einlassgenehmigung. Dafür, dass die Natisone angeblich erst kurz in der Stadt ist, kennt sie sich verdammt gut aus. Jetzt liegt sie auf der Intensivstation. Und Alberto auch. Wirklich exzellente Polizeiarbeit, Pina. Und jetzt stehen Sie hier herum und glotzen auf das Hochhaus da drüben, anstatt sich diesen Kerlvorzunehmen. Ihr Espresso wird kalt.« Laurenti stellte seine leere Tasse auf Mariettas Schreibtisch.
    Die Inspektorin zuckte lediglich mit den Schultern. In der Nacht hatte sie sich nicht einmal die Mühe gemacht, im Computer nach seinem Namen zu suchen. »Ich weiß selbst, dass ich Mist gebaut habe«, antwortete sie trotzig.
    »Wo sind die Männer von der Bürgerwehr?«
    »Sitzen drüben.«
    »Was trug die Natisone bei sich?«
    »Pass, Geld, Mobiltelefon. Der Kriminaltechniker druckt soeben die Liste der gespeicherten Telefonnummern aus. Und die der letzten Anrufe natürlich. Alberto trug übrigens eine Digitalkamera bei sich.« Pina schwenkte einen transparenten Plastikbeutel.
    »Diese Fotos will ich dann auch gleich sehen. Und noch etwas, Pina. Wie unschwer zu erkennen ist, haben Sie eine Sauwut. Sie machen sich Vorwürfe, Sie haben Mitgefühl, Sie sind von sich selbst enttäuscht, Sie hassen diese selbsternannten Ordnungshüter. Und Sie sind hundemüde. So, und

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