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Keine Frage des Geschmacks

Keine Frage des Geschmacks

Titel: Keine Frage des Geschmacks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Hanser Verlag
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und alle Italiener werden wieder zuMafiosi gemacht. Dann riecht das Ministerium Lunte, und du bist den Fall los, was dir sicher mehr als recht ist. Alberto aber wird zum Sündenbock gemacht und wandert als afrikanischer Schlächter und Vergewaltiger für viele Jahre in den Knast. Und schließlich wird er abgeschoben. Mach was, Laurenti.«
    »Na klar, ich fahr sofort nach Rom und stürze die Regierung. Hat Alberto sonst noch etwas gesagt?«
    »Miriam. Fotoapparat. Sonst nichts. Er ist sofort wieder eingeschlafen. Kannst du mir eigentlich verraten, weshalb eine Wache vor seiner Tür steht? Habt ihr etwa Angst, dass Alberto abhaut? Die nächsten vier Wochen sicher nicht. Solange kannst du dein Personal besser einsetzen.«
    »Man weiß nie, Galvano.«
    Noch im Park hatte Laurenti angeordnet, dass zwei Beamte in der Klinik abgestellt werden sollten. Einer sollte Alberto bewachen, der andere die Rothaarige. Wer garantierte, dass der Täter sein Werk nicht vollenden wollte? Erst die Wahrheit über diese Glatzköpfe von der selbsternannten Bürgerwehr gäbe Gewissheit.
    »Gut gemacht, Galvano«, sagte Laurenti schließlich und erhob sich. »Wann gehst du wieder zu ihm?«
    Die Russin tauchte schlagartig hinter ihrer Zeitung auf und schaute den Alten herausfordernd an. »Heute weicht er mir keinen Schritt mehr von der Seite, Commissario. Das Wochenende gehört der Familie«, protestierte Raissa.
    »Am Nachmittag.« Galvano schien ihr Befehl entgangen zu sein. »Jemand muss sich schließlich um ihn kümmern.«
    »Auf keinen Fall«, protestierte Raissa. »Du hast mir Treue geschworen, John Achille Oreste.«
    Ihre Stimme krächzte aufgeregt. Noch nie hatte Laurenti jemanden den Alten beim Vornamen rufen hören, erst recht nicht bei allen dreien. Er folgte der Szene und hütete sich, den Mund aufzumachen.
    »Treue! Was hat das denn damit zu tun?« Galvano richtete sich so abrupt auf, dass der Hund unter dem Tisch aufsprang und einmal laut bellte. »Als gäbe es den Betrug! Du übertreibst, Liebe.«
    »Du hast die Wahl. Entweder der«, sie zeigte aufgebracht auf Laurenti, »oder ich.«
    »Weißt du eigentlich, dass man in London erst vor kurzem die letzten Schriften gefunden hat, die Sigmund Freud nur wenige Stunden vor seinem Selbstmord verfasste?« Galvanos Tonfall war zuckersüß. Er fingerte eine Mentholzigarette aus der Packung und zündete sie an. »Das Papier steckte im Futter seines Sofas.«
    »Worauf spielst du an? Hast du nicht gehört, was ich gesagt habe?« Vor Aufregung rollte Raissa das R als werfe das vom Schirokko aufgewühlte Meer bei Windstärke acht einen Geröllhaufen gegen das Ufer.
    Laurenti wandte sich zum Gehen, doch der Alte gab den Weg noch nicht frei.
    »Freud schrieb, er habe in allem geirrt. Von Treue im Singular zu sprechen, ist realitätsfern, sie kann in dieser Form nicht existieren. Somit gibt es kein Betrügen und keinen Ehebruch. Eine Fehlinterpretation der vom Christentum erzeugten Ängste. Der einzig richtige Begriff sei die Paralleltreue! Stimmt’s, Laurenti?« Galvano streichelte seinen Hund, hielt einen Moment mit lauerndem Blick inne und polterte sogleich los, als die Russin den Mund öffnete. »Die Weisheit eines großen Mannes auf dem Totenbett. Also reg dich ab, Raissa! Am Nachmittag geh ich wieder zu Alberto. Und wenn du willst, dann kannst du mich begleiten. Aber nur unter der Bedingung, dass du die Klappe hältst.«
    Die Russin versteckte sich schmollend hinter ihrer Zeitung, die sie erst nach einer Weile in die richtige Richtung drehte.
    »Hat Freud das wirklich geschrieben?«, rätselte Laurenti.
    »Natürlich«, behauptete der alte Gerichtsmediziner ernst und tat einen tiefen Zug an seiner Zigarette. Sein Blick war starr auf das Meer gerichtet. »Nur leider zu spät. Tragisch. Keiner wird je darüber berichten und die Menschheit diesen Irrtum bis ans Ende ihrer Tage ausbaden.«
     
    *
     
    In der Wohnung unter dem Leuchtturm fanden sie Miriams halb ausgepackten Trolley, an einem Regal hatte sie zwei Kleider aufgehängt. Verdächtige Spuren entdeckten sie nicht. Niemand war dort eingedrungen, auch die Schlösser waren unversehrt. Die beiden Uniformierten, die die Inspektorin und Candace begleiteten, warteten nun auf der Straße. Pina entschied, lediglich Miriams Laptop mitzunehmen und ihren Moleskine, in dem Candace konzentriert blätterte und doch nur Notizen über die Kaffee-Stadt fand. Die Inspektorin erklärte, dass sie den Computer beschlagnahmen müsste, wogegen Candace sich

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