Keine Frage des Geschmacks
Feststellung seiner Personalien musste er zuerst seine Taschen leeren und den Gürtel seiner Jeans ablegen. Die Flip-Flops durfte er anbehalten, doch nachdem einer der Beamten ihn abgetastet hatte, musste er sich auch von seiner Halskette mit dem Feueropal trennen. Als er der nachdrücklichen Aufforderung endlich nachkam, war das wütende Funkeln in seinen Augen erloschen.
»Haben Sie sich verletzt?«, fragte Laurenti als erstes.
Der junge Mann schwieg.
»Beim Kämmen oder beim Sex? Oder hat der Friseur Ihnen etwa die Haare ausgerissen? Dann könnten Sie Schmerzensgeld verlangen. Wenn Sie es wünschen, nehme ich selbstverständlich Ihre Anzeige auf. Fahrlässige Körperverletzung, würde ich sagen.«
Aurelio wollte natürlich zuerst heraushören, wie viel die Ermittler wussten. Längst hatte er auf seinen Anwalt bestanden,doch wollte ihn der Commissario zunächst allein in die Mangel nehmen.
»Sie haben so schöne gepflegte Haare, und die neue Farbe steht Ihnen ausgezeichnet. Und ein hübscher Junge sind Sie auch. Ich bin mir sicher, dass Sie sofort einen Verehrer im Knast finden werden, der Ihren Arsch sexy findet. Also hören Sie, Selva, Ihre Situation ist die folgende: Die Spezialisten der Kriminaltechnik in Padua arbeiten eine Probe nach der anderen ab. Dank der technischen Möglichkeiten, die sie haben, entgeht ihnen nicht das geringste Detail. Sie kennen das sicher aus den Fernsehserien, nicht wahr? Das dauert natürlich seine Zeit. Auf die Auswertung der drei Härchen am Fensterrahmen des Kaffeeimporteurs müssten wir theoretisch Wochen warten, bis die DNA vorliegt. So lange wären Sie ganz sicher auf freiem Fuß. Aber ist das wirklich Ihr Wunsch, Selva?«
Laurenti schwieg eine Weile, nur der Atem der beiden war in dem engen Raum zu vernehmen. Er streckte seine linke Hand in die Blickrichtung des Gefangenen und winkte. »Hier bin ich!«
Aurelio rührte sich nicht.
»Im Falle von Kapitalverbrechen sind die Kollegen allerdings blitzschnell. Trotz der Menge an Material, das stündlich bei ihnen eintrifft. Und was bedeutet das für Sie?«
Wieder legte Laurenti eine Pause ein. Aurelios Blick huschte einen Sekundenbruchteil zu ihm hinüber, bevor er sich wieder stur auf die Wand heftete.
»Ich stelle Ihnen eine besondere Frage, die dann auch ins Protokoll kommt: Wo waren Sie heute früh um sechs Uhr?«
Aurelio blickte kurz auf. »Mein Name ist Aurelio Selva, wohnhaft Via Donata 1, geboren in Triest am … Mein Name ist Aurelio Selva, wohnhaft Via Donata 1, geboren in Triest am …«
»Sparen Sie sich Ihren Sermon«, unterbrach ihn Laurentibarsch. »Bei dieser Frau im roten Kleid, eine englische Journalistin namens Miriam Natisone, fanden sich nicht nur drei Haare, als ich sie heute früh mit durchgeschnittener Kehle im Park von Schloss Miramare gefunden habe. Nein, Selva, ein ganzes Büschel hielt sie in ihrer Faust. Und bei solch einem Verbrechen ist es eine Frage von wenigen Stunden, bis die Resultate vorliegen. Ob Sie es glauben oder nicht, kümmert mich wenig. Übrigens wurde sogar der Dreck unter ihren Fingernägeln gesichert. Dass es sich um Hautpartikel handelt, wissen wir bereits. Es bleibt ganz Ihnen überlassen, ob Sie mir antworten oder nicht. Ihre Aussage zu diesem Fall kostet nur unnötig Papier und Druckerschwärze. Ich brauche sie eigentlich nicht. Die Laborergebnisse genügen. Doch eine Frage stelle ich Ihnen trotzdem: Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, ins Zeugenschutzprogramm aufgenommen zu werden? Oder vertrauen Sie weiter auf die väterliche Liebe Raccaros? Sein Einfluss macht vermutlich auch vor den Mauern des Gefängnisses keinen Halt. Tentakeln wie eine Qualle, wer ihnen zu nahe kommt, verbrennt sich. Überlegen Sie es sich in Ruhe. Noch weiß er nichts von Ihrer Festnahme. Er befindet sich nämlich in stürmischen Gewässern.«
Laurenti gab dem Beamten das Zeichen, Aurelio abzuführen, worauf dieser ihm wieder die Handschellen anlegte, die er ihm zu Beginn des Verhörs abgenommen hatte.
Laurenti erhob sich erst, als die Tür sich hinter den beiden fast geschlossen hatte.
»Was haben Sie anzubieten?«, rief Selva und drehte sich so forsch um, dass er dem Griff des Polizisten entwich. Mit den gefesselten Händen riss er die Tür auf, noch bevor der Uniformierte ihn an den Schultern packen konnte.
»Nichts. Gar nichts.« Laurenti lächelte. »Ich warte auf Ihre Offerte, Selva. Haben Sie das noch immer nicht verstanden?«
*
So viele Länder hatte Candace mit
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