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Keine Gnade

Keine Gnade

Titel: Keine Gnade Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Annechino
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könnte, solange Mam sich erholt? Wärst du immer noch damit einverstanden?«
    Â»Aber sicher. Es wäre gut für deine Mam, gut für Emily, fantastisch für Angelina, und uns würde es die Klapsmühle ersparen.«
    Â»Ich danke dir, dass du da mitziehst.«
    Â»Hey, wir gehören zusammen. Schon wieder vergessen?«
    Â»Bitte ruf an, wenn mit deiner Schwester irgendetwas ist.«
    Â»Und du rufst mich an, wenn deine Mam ihre Operation hinter sich hat.«
    Â»Das werde ich tun.«
    Sie konnte durchs Handy hören, wie er atmete. »Bist du noch da?«
    Â»Es ist nur, ich weiß nicht, wie ich das durchstehen soll, ohne zusammenzubrechen. Es kommt mir alles so unwirklich vor. Ich schaue meine Schwester an, die in diesem Krankenhausbett liegt, überall sind Schläuche, und ich kann einfach nicht glauben, dass sie es ist. Was soll ich nur tun, wenn sie … es nicht schafft? Wie soll ich das überstehen? Aleta ist meine einzige lebende Verwandte. Wenn sie stirbt …«
    Â»Ich wünschte, ich hätte die Antwort für dich. Ich kann dir nur sagen, dass du stark sein musst – für sie . Du musst daran glauben – für sie . Sonst machst du dich fertig.«
    Â»Ich liebe dich«, sagte Al.
    Â»Ich liebe dich auch.«

    Julian versuchte sich auf Connor und die bevorstehenden Experimente zu konzentrieren, doch er war für die chirurgischen Vorgehensweisen, die seine ungeteilte Aufmerksamkeit und eine ruhige Hand erforderten, viel zu abgelenkt. Egal wie sehr er sich auch bemühte, er konnte die verstörenden Erinnerungen an Genevieve oder das, was er bald mit Connor anstellen würde, nicht verdrängen. Seine inneren Kämpfe überstiegen seine Kräfte bei weitem, und er musste einen Weg finden, wie er seinen Geist läutern und sich auf die vor ihm liegende Aufgabe konzentrieren konnte. Es stand zu viel auf dem Spiel.
    Julian ging zum Bett, verabreichte Connor noch ein leichtes Beruhigungsmittel und verließ das Loft.
    Die katholische Kirche vom heiligen Thomas von Aquin war mit dem Wagen nur etwa eine Viertelstunde entfernt. Er war katholisch erzogen worden, doch wie so viele andere junge Leute war er als Teenager von Gott und seinem Glauben abgekommen. Aber seine Lebenserfahrung hatte ihn gelehrt, dass er immer Trost in der ruhigen Stille einer Kirche fand. Glaube hin oder her, es baute einen spirituell auf, war Balsam für die Seele.
    Als Julian an diesem bewölkten Samstagnachmittag in die Kirche ging, glaubte er nicht, dort viele Besucher vorzufinden. Doch zu seiner Überraschung konnte er etwa ein Dutzend Menschen ausmachen. Einige knieten in den Bänken, um verzweifelt für die Gesundung eines geliebten Menschen zu beten, andere saßen ruhig in ihren Kummer vertieft da, und einige standen in einer Reihe vor dem Beichtstuhl.
    Beichte?
    Julian war seit Jahrzehnten nicht zur Beichte gewesen. Er hatte sie immer für ein dümmliches Ritual für wirklich naive Menschen gehalten. Wie konnte ein Priester – ein Mensch aus Fleisch und Blut – einem die Sünden vergeben, indem er einen zehn Ave-Maria und zehn Vaterunser sagen ließ und einen mit dem Kreuzzeichen segnete? Die Überheblichkeit dieses sogenannten Sakraments hatte Julian schon als Kind gestört.
    Als er dort saß und versuchte, sich mit seinen zwiespäl­tigen Gedanken auseinanderzusetzen, fiel ihm etwas ein. Er hatte gelernt, dass ein Priester hinsichtlich der Sünden, die ihm im Rahmen der heiligen Beichte offenbart werden, der Schweigepflicht unterliegt. Er darf sie nicht direkt oder indirekt preisgeben, indem er Informationen weitergibt, die er in der Beichte erhalten hat.
    Dümmliches Ritual hin oder her, vielleicht war dies genau der geschützte Raum, den Julian brauchte, um sich von seiner Schuld zu befreien, ohne irgendwelche Konsequenzen befürchten zu müssen. Unter dem Schutz des Beichtgeheimnisses konnte Julian alles erzählen, ohne irgendetwas zu beschönigen oder Einzelheiten auszulassen. Und der Priester würde Julians Beichte mit ins Grab nehmen. Vielleicht war die Beichte genau das, was Julian für sein Gewissen brauchte. Göttliche Vergebung war ihm egal, er brauchte einfach einen ihm gewogenen Zuhörer.
    Vor dem Beichtstuhl war Julian als Nächster an der Reihe und wartete schon unruhig. So sehr diese Übung allem widersprach, woran er in Bezug auf Religion, Gott und das Jenseits

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