Keine große Affäre
mehrere rote Busse
gleichzeitig vorbeidonnerten.
»Es hat keinen Zweck, darüber zu
diskutieren. Es würde einfach nicht gutgehen. Es tut mir leid«, fügte sie
unnötigerweise hinzu. Ihr gefiel das Gefühl von Macht ziemlich gut, das sie
beim Anblick seines gekränkten Gesichts empfand, aber sie wünschte sich, er
würde endlich gehen, damit sie sich ihr Sandwich kaufen konnte.
»Na ja, ruf mich an, wenn du es dir
anders überlegst«, sagte er und hielt ihr die Hand hin. Sie schüttelte sie.
»Tja«, sagte Robert später an diesem
Nachmittag, als sie ihn anrief, um ihm zu erzählen, wie es beim Lunch war.
»Beschwer dich nur bloß nie wieder bei mir über deinen Job.«
Ausnahmsweise dachte Ginger einmal
nach, bevor sie antwortete.
Da die Auseinandersetzung mit Charlie
ihr eine seltsame Art Selbstvertrauen gegeben hatte, sagte sie: »Ich kann mich
nicht erinnern, wann ich mich je bei dir über meinen Job beklagt hätte. Du bist
es doch, der sich ständig über meinen mangelnden Ehrgeiz aufregt, daß ich mein
Leben ruiniert habe, Chancen weggeworfen habe... Also ehrlich, du bist genauso
schlimm wie meine Schulleiterin damals.«
»Mach dich nicht lächerlich. Ich will
doch nur dein Bestes.«
»Genau das hat sie auch immer gesagt.
Ich muß jetzt Schluß machen«, sagte Ginger und legte auf, als ihre Chefin
auftauchte. Stirnrunzelnd kam sie aus dem verqualmten Büro neben dem
Kabäuschen, in dem Ginger saß. Ihr fiel auf, daß sich das Gesicht ihrer Chefin
plötzlich aufhellte, als jemand die Bürosuite betrat. Deshalb drehte sie sich
auf dem Stuhl herum und erblickte die Empfangsdame aus dem Foyer unten, die
einen riesigen Strauß Luftballons in der Hand hielt. Leuchtende, runde
Heliumkissen in Rot, Blau, Grün, Violett, Gold und Silber schwebten im warmen
Lufthauch umher, der vom Heizofen kam. An den schmalen Goldbändern hing ein
winziger Korb mit Stroh, aus dem die Ecke eines kleinen, weißen Umschlags
lugte.
»Die sind gerade abgegeben worden. Der
Premierminister schaut gleich vorbei, und ich dachte, ich bringe sie lieber
hoch, bevor er noch einen falschen Eindruck kriegt«, erklärte die Frau vom
Empfang lächelnd.
»Ach, sind die hübsch!« Gingers Chefin
streckte die Hand aus, um sie entgegenzunehmen. »Viel verrückter als ein
Blumenstrauß. Soll ich die an mein Sofa binden, Ginger?«
»Achten Sie nur darauf, daß Sie das
Fenster geschlossen halten«, sagte Ginger, die sich fragte, wer ihre Chefin um
Himmels willen so gern hatte, daß er ihr ein so wunderbares, feierliches Geschenk
machte. »Ich kaufe Guy manchmal einen, und man muß wirklich aufpassen, daß man
sie nicht losläßt... Wusch!«
»Natürlich! Erinnern Sie mich daran,
daß ich Ihnen einen für ihn mitgebe, bevor ich nach Hause gehe«, bot ihre
Chefin an. Großzügig wie immer, dachte Ginger. Schließlich waren es wenigstens
zwanzig.
»Aber die sind doch für Ginger«, sagte
die Empfangsdame geradeheraus. Sie hielt die Bänder fest in der Hand und wich
vor der ausgestreckten Hand der Chefin zurück.
»Ach, haben Sie ein Glück! Wie hübsch!«
sagte ihre Chefin und bemühte sich darum, das gequälte Lächeln auf ihrem
enttäuschten Gesicht beizubehalten, als sie sich wieder in ihr Büro zurückzog.
»Erinnern Sie mich dran, Ihnen einen
zu geben!« äffte Ginger sie leise nach und streckte der Tür die Zunge heraus,
als sie sich schloß. Die Empfangsdame mußte kichern.
Der Umschlag enthielt einen Scheck
über fünfhundert Pfund und eine kleine weiße Karte. Dies ist eine
Sonderzahlung für Deine Hilfe bei der Sendung, las Ginger. Ich hatte
gehofft, das Geld auf Dein Gehalt draufschlagen zu können. Mach’s gut, Charlie.
»Wie kommt er auf Ballons?« fragte Pic
später am Abend, als Ginger sie aufgeregt anrief und ihr von den Ereignissen
des Tages berichtete.
»Keine Ahnung«, antwortete Ginger
ungeduldig. Sie hatte eine weniger pedantische Reaktion erwartet. »Vielleicht
dachte er, ich bin mehr ein Ballontyp als ein Blumentyp. Und er hat recht. Mit
Ballons kann man viel mehr sagen als mit Blumen. Ich krieg ja ganz gerne
welche, aber dann verwelken sie, und ich kann es nicht ertragen, sie
wegzuschmeißen. Und das Wasser stinkt immer so eklig...«
»Wenn du sie anschneiden und
arrangieren würdest, statt den ganzen Strauß mit Zellophan und allem einfach in
die erstbeste Vase zu stopfen, würde das vielleicht nicht passieren.«
Ginger fragte sich, warum sie heute
von allen fertiggemacht wurde. Von allen außer Charlie,
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