Keine große Affäre
eigentlich rufe ich
geschäftlich an...« Im Hintergrund klapperten Tastaturen und klingelten
Telephone, als wollten sie ihre Behauptung bestätigen. »...Ich habe eine Idee
für eine regelmäßige Reportage — na ja, ich sage Idee, eher ein schamloses
Abkupfern bei ein paar Kolumnen der Konkurrenz, die ich gewissermaßen
kombiniert habe. Ich nenne es >Hausmannskost<.« Alison sprach viel
schneller als sonst, vollkommen selbstsicher in der Rolle der Redakteurin. »Die
Idee ist folgende: Zwei Verwandte, vorzugsweise Ernährer und Konsument,
sprechen über ein Familienleibgericht, und dann drucken wir das Rezept. Ich
habe mich gefragt...?« Sie überließ es Gingers Phantasie, den Satz zu beenden.
»Ich und Pic? Ach, du meinst mich und
meinen Vater«, sagte Ginger. »Ähm, ich glaube ehrlich gesagt nicht, daß das
funktionieren würde. Bei uns hat immer der Koch gekocht. Außerdem würde er es in
einen Phototermin umwandeln: Sir James Prospect hält triumphierend eine
riesige, blutige Scheibe britisches Rindfleisch hoch, das vor so vielen BSE-
und E-Bazillen trieft wie möglich, und fordert diese impertinenten kleinen
Mikroorganismen heraus, so verwegen zu sein, ihm zu schaden.«
Alison lachte.
»Der wahre Grund ist, daß ich ihn im
Augenblick nicht um irgendwelche Gefallen bitten will. Im Moment herrscht eine
Art heikler Waffenstillstand«, erklärte Ginger. »Trotzdem finde ich, daß es
eine gute Idee ist«, fügte sie hinzu, weil sie hilfsbereit sein wollte. »Aber
ich würde es >Wie daheim bei Mutter< nennen.«
»Das ist gut«, sagte Alison und
dachte, wie wortgewandt Ginger doch war. Schnell schrieb sie sich den Vorschlag
auf. »Das ist wirklich gut. Hör zu, fallen dir nicht noch ein paar berühmte
Eltern und Kinder ein?«
»Vielleicht könntest du Carol Thatcher
fragen, was Maggie immer gekocht hat — Haferschleim, nehme ich an, was das auch
immer ist. Das haben sie bei Dickens immer gegessen, und ich wußte es nie. Du
etwa? Ich dachte, es wäre eine Mischung zwischen Gemüseabfällen und
Abwaschwasser...«, sagte sie grübelnd. »Dann gibt es noch die üblichen
Verdächtigen...« Sie wartete mit den Namen der berühmten Schauspieler- und
Schriftstellerdynastien des Landes auf.
»Hey, mal langsam... Das ist
großartig«, sagte Alison. »Wenn du jemals Lust haben solltest, als Researcherin
zu arbeiten...«
»Sieh dich vor, vielleicht komme ich
darauf zurück«, sagte Ginger lachend und versuchte, sich nicht sofort
vorzustellen, wie es wäre, für eine Zeitung zu arbeiten. Sie fragte sich, wieso
ihr die Arbeit aller anderen viel attraktiver erschien als ihre eigene. »Wie
geht’s dir überhaupt?« fragte sie.
»Mir geht’s gut, danke«, sagte Alison.
»Und Ben?«
»Ihm auch. Was ist mit Guy? Wie funktioniert
das Arrangement?« Alison bemerkte, daß sie sich nicht dazu durchringen konnte,
Lias Namen auszusprechen.
»Sehr gut. Natürlich vermisse ich ihn,
aber er ist in sehr guten Händen. Lia kann phantastisch mit Kindern umgehen,
oder? Ich kann sie mir mit einer riesigen Brut vorstellen, wie die Mutter bei
den Waltons. Du nicht?«
»Ich denke schon«, antwortete Alison,
die nicht anders konnte, als zu fragen: »Will sie denn noch mehr Kinder?«
Sobald sie es ausgesprochen hatte,
bemerkte sie, daß sie die Antwort gar nicht wissen wollte.
»Ach, das nehme ich schon an«,
antwortete Ginger. »Ich beneide sie wirklich darum, sie alle auf einmal
bekommen zu können. Ich weiß, es ist hart, viele Kleinkinder auf einmal zu
haben, aber dann hat man es hinter sich und kann sich daran erfreuen, wie sie
groß werden. Wenn mein Leben so weitergeht, wird Guy zwanzig, bevor er einen
Bruder oder eine Schwester bekommt. Wie steht’s mit dir?«
Es herrschte Schweigen, dann
antwortete Alison, als hätte sie die Frage gerade erst gehört: »Ich? Oh Gott,
nein, nie wieder. Ich muß jetzt Schluß machen, aber wir müssen uns bald mal
sehen.«
Ginger mußte sich sputen, noch ein
»Bye!« unterzubringen, bevor sie auf legte.
»Du fängst doch nicht an zu koksen,
oder?« fragte Ramona, als Alison von der Toilette zurückkam.
Verwirrt starrte Alison sie an.
»Es ist nur, weil du heute morgen
mindestens sechsmal auf dem Klo warst, und immer wenn du zurück an deinen
Schreibtisch kommst, hast du rote Augen und schnüffelst.«
»Nein«, sagte Alison. »Ich bin nur ein
bißchen angeschlagen.«
»Kann ich dir irgendwie helfen?«
fragte Ramona freundlich. Sie wußte offensichtlich, daß Alison geweint
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