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Keine große Affäre

Keine große Affäre

Titel: Keine große Affäre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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herauszufinden, wohin die Reise gehen würde. Stephen
hatte seine Rolle perfekt gespielt, erinnerte sie sich. Als sie ihn fragte,
welche Anziehsachen sie mitnehmen sollte, hatte er mit den Schultern gezuckt,
und er hatte sie auf die völlig falsche Fährte gelockt, indem er ein italienisches
Taschenwörterbuch neben seinem Bett liegen lassen hatte, als sie eines Abends
in seiner Wohnung übernachtete.
    Als sie nach dem Empfang in ihrer
Suite im Hilton Heathrow angekommen waren, stand mitten im Zimmer ein
brandneuer Koffer mit einem breiten weißen Band und einem Adressaufkleber, auf
dem sorgfältig gedruckt ihr Name stand. Selbst zu diesem Zeitpunkt hatte er ihr
nicht erlaubt, ihn zu öffnen, und ihren Zielort nicht verraten. Erst als sie
durch den kilometerlangen Gang zum Flugsteig liefen, erfuhr sie, daß sie auf
dem Weg zu einer winzigen Privatinsel in der Karibik waren. Und er erzählte es
ihr nur, weil ihm klar wurde, daß Florida, der Zielort, der auf der Flugtafel
stand, und wo sie umsteigen mußten, nach all der Geheimnistuerei eine ziemliche
Ernüchterung für sie sein mußte.
    Es kann überhaupt nicht mehr besser
werden, hatte sie gedacht, völlig entspannt vom regelmäßigen Rhythmus ihrer
Atmung, als sie eines Nachmittags in kristallklarem Wasser schnorchelten, das
durch die Bewegungen einer Million juwelenbesetzter Fische glitzerte. Doch als
sie wieder an die Oberfläche kamen, aus dem Wasser wateten und die Geräusche
der irdischen Welt plötzlich wieder um sie laut wurden, hatte sie mit einer Art
Vorahnung gezittert, daß das Leben nur schlechter werden konnte. Sie hatte nach
Stephens Hand gegriffen, um sich von ihm durch die Untiefen ziehen zu lassen.
    In ein paar Monaten war ihr
Hochzeitstag. Der fünfte. Sie wünschte, sie könnte ehrlich denken: Fünf Jahre,
die besten fünf Jahre ihres Lebens. Aber das traf nicht zu. Nach den
Flitterwochen war es aufregend gewesen, gemeinsam ein Haus zu kaufen und es zu
renovieren, doch danach verschwamm alles in einem Nebel vergeblicher
Bemühungen, schwanger zu werden.
    Zuerst war es erregend gewesen, sich
ohne Verhütungsmittel zu lieben. Sex war dadurch gefühlvoller geworden. Sie
taten etwas Tiefgreifendes, und das große Vertrauen, das es erforderte, schien
sie bis zum Rande ihres Seins zu treiben, an einen Ort, an dem es keine Worte
gab.
    Als sie im ersten Monat blutete, war
sie nur ein winziges bißchen enttäuscht gewesen. Im zweiten war sie leicht
verärgert. Ihr wurde klar, daß sie verwöhnt war, daran gewöhnt, genau das zu
bekommen, was sie wollte, und zwar genau zu dem Zeitpunkt, an dem sie es
wollte. Beim dritten Mal kaufte sie sich ein Set, das den Eisprung voraussagte.
Beim vierten Mal machte sie sich langsam Sorgen. Danach ging jeder Monat in den
nächsten über. Sex wurde etwas, das man an den richtigen Tagen tun mußte, ob
man Lust dazu hatte oder nicht. Wenn Stephen arbeitete, ging sie in der
Mittagspause zum Krankenhaus, in der Hoffnung, ihn zwischen zwei Operationen
abzufangen. Dann trieben sie es schnell in seinem Sprechzimmer auf dem
Fußboden, hinter geschlossenen Türen, die Jalousie an der Tür heruntergelassen,
und doch wußten alle draußen ganz genau, was sie taten. Vor ihrer Hochzeit
hätte sie das scharf gemacht. Jetzt dagegen war es demütigend, eine reine
Formsache. Aber nicht so demütigend wie die Injektionen, die ihr jeden Morgen
während des in vitro -Zyklus verabreicht wurden, die Operation, um ihre
Eizellen zu entnehmen, sein Masturbieren, um sie befruchten zu können. Das
Zusammentreffen ihrer Gene, diese außergewöhnliche Explosion von Leben, die sie
sich anfangs so erotisch vorgestellt hatte, würde nun unter einem Mikroskop
stattfinden, unter den Augen eines Fremden.
    Die Empfängnis war zu einem
Selbstzweck geworden. In ihrer Entschlossenheit, dieses Ziel zu erreichen,
hatte sie schon lange aufgehört, über das eigentliche Ziel nachzudenken, das
Kind, das sie zeugen würden. Sie hatten niemals richtig darüber gesprochen,
weil sie Angst hatten, über etwas zu diskutieren, das ihnen entgehen könnte.
Über Sex zu sprechen wurde zu einem Tabu, ebenso wie Sex nur aus Spaß am Sex.
    Vielleicht, dachte sie, als sie das Flußufer
erreichte und versuchte, den Grund für ihren Verrat herauszufinden, vielleicht
hatte sie deshalb eine Affäre angefangen. Nein, dachte sie, als sie sich auf
ein paar Stufen setzte, die zum Fluß hinunterführten, die Brandung eines
vorbeifahrenden Ausflugsdampfers gegen die alten Steine

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