Keine große Affäre

die der Gedanke
scharf machte, mit beiden ins Bett zu gehen. Ihnen waren schon einige von
dieser Sorte begegnet. Nein, beschloß sie, er versuchte nur charmant zu sein,
und es war spät, deshalb würde sie ihn das letzte Wort haben lassen. Sie sahen
sich eine Sekunde lang an, dann wandte sie sich ab, um ins Taxi zu steigen, und
er griff nach ihrer Hand und küßte sie. Sie schloß die Tür, dann drehten sie
und Pic sich um und winkten, während das Taxi die Old Compton Street
hinunterbrauste.
    »Er ist nett«, sagte Pic und sah
wieder nach vorne.
    »Nur wenn du ihm das richtige
Stichwort gegeben hast, damit er eine seiner vielen >amüsanten< Anekdoten
zum besten geben konnte... Ich fand ihn zum Heulen, und ich habe keine Sekunde
geglaubt, daß er wirklich Jackie O. getroffen hat«, sagte sie gehässig.
    »Nicht Aaron, Charlie«, entgegnete
Pic.
    »Sehr charmant, ja«, sagte Ginger und
gab vor, auf etwas sehr Interessantes direkt vor ihrem Fenster zu starren.
»Ehrlich gesagt, konnte ich gar nicht glauben, wie du mit ihm geflirtet hast,
und all seine Bemerkungen darüber, wie schön du doch wärest, war das nicht ein
bißchen übertrieben?«
    »Also ehrlich«, sagte Pic ungehalten.
»Du bist manchmal unglaublich doof! Er hat mich nur als eine Art Leitungsrohr
benutzt. In Wirklichkeit hat er mit dir geflirtet und versucht, dir zu sagen,
daß du schön bist, ohne es tatsächlich auszusprechen. Du meine Güte, wir sehen
schließlich genau gleich aus!«
    »Du scheinst dich ja gut amüsiert zu
haben«, bemerkte Ginger ziemlich säuerlich.
    »Ich habe mich nur in deiner
reflektierten Herrlichkeit gesonnt«, sagte Pic. »Und er ist ein ziemlich toller
Typ, weshalb sollte ich mich also nicht amüsieren? Außerdem glaube ich, ihn hat
es total erwischt.«
    »Ach, mach dich nicht lächerlich«,
sagte Ginger und hoffte, daß ihre Schwester im dunklen Taxi nicht sehen konnte,
wie rot sie geworden war.
    »Ich mache mich überhaupt nicht
lächerlich. Ich verstehe nicht, wo das Problem liegt. Er scheint perfekt für
dich zu sein. Er sprüht vor Leben, er ist clever und fast genauso
rechthaberisch wie du...«
    »Ja, aber du vergißt eines«,
unterbrach Ginger sie. »Lucretia.«
    »Aber weißt du denn sicher, daß
sie zusammen sind? Sie war heute abend nicht dabei. Er hat sie nicht ein
einziges Mal erwähnt. Wenn sie sich so nahestehen, wieso hat er sie nicht dazu
rangekriegt, Aaron zu bezirzen?«
    Ginger hatte sofort eine Antwort
parat. »Na ja, erstens war Aaron schwul.«
    »Ja, aber schwule Männer gehen gern
mit schönen Frauen aus, oder?«
    »Oh Gott, du glaubst doch nicht, daß
Charlie andersrum ist, oder?« fragte Ginger plötzlich.
    »Meine Güte, Ginger«, sagte Pic. »In
einer Minute willst du überhaupt nichts mit ihm zu tun haben, weil er eine
andere Frau hat, nicht daß dich das früher abgehalten hätte, und in der
nächsten kommt er nicht in Frage, weil er schwul ist. Natürlich ist er nicht
schwul. Du solltest sehen, wie er dich anschaut.«
    »Er war bloß dankbar, daß wir Aaron
unterhalten haben. Ich hätte wissen müssen, daß sowas wie ein
Gratisgeburtstagsdinner nicht existiert.«
    »Sei nicht so muffelig«, sagte Pic,
als das Taxi vor ihrem Haus anhielt. »Ich wette mit dir um ein Pfund, daß er
dich morgen anruft.«
    »Ein Pfund — du mußt dir deiner Sache
ja sehr sicher sein! Mir ist egal, ob er das tut«, sagte Ginger und wünschte,
Pic würde einfach das Maul halten und aus dem Taxi steigen.
    »Glaub ich nicht!« antwortete Pic mit
Singsangstimme und gab ihr einen Kuß.
    »Ich darf dich nie wieder Champagner
trinken lassen«, sagte Ginger liebevoll zu ihr. »Du verwandelst dich dann in
eine Art adelige Herzblattmoderatorin. Jetzt hau endlich ab, hab einen
wunderbaren Geburtstagsfick mit deinem Mann und laß mich in Ruhe!«

Kapitel 9
    ----------
     
     
    März
     
    Gingers Telephon ging. Sie zuckte
zusammen, wie bei jedem Klingeln bisher, und verfluchte im stillen Pic, weil
sie ihr den Floh ins Ohr gesetzt hatte, daß Charlie anrufen könnte. Sie sagte
ein paarmal laut »Hallo?«, um eine gelangweilte, leicht gleichgültige Stimme
einzuüben, bevor sie den Hörer abnahm. Er sollte bloß nicht denken, daß sie auf
seinen Anruf gewartet hatte.
    »Hallo?« Forsch-fröhlich, der »Ich bin
gerade sehr beschäftigt«-Tonfall. Sie gratulierte sich selbst zu ihrer
perfekten Stimmlage.
    »Ginger? Hier ist Alison. Wie geht’s
dir?«
    »Ach, ganz gut«, antwortete Ginger
enttäuscht. »Und dir?«
    »Gut. Hör zu,