Keine große Affäre
Höchstgeschwindigkeit, wie beim Karussellfahren auf dem Rummel.
»Oh nein, die Wochenenden gehören
Guy«, sagte sie und fügte schnell hinzu: »Meinem Sohn.«
»Ich könnte einen Ausflug mit euch
machen... Ich liebe Kinder«, schlug er vor.
»Wirklich?« Sie konnte die
Überraschung in ihrer Stimme nicht verbergen.
»Ja. Ich war der Älteste von fünf
Jungs, deshalb habe ich eine Menge Erfahrung mit kleinen Kerlchen.«
Ed eingeschlossen, hat Guy also fünf
Onkel, rechnete Ginger aus. Und sie hatte sich schuldig gefühlt, weil sie ihm
die Gegenwart eines Mannes in seinem Leben vorenthielt!
»Ach, hallo!« Ginger begrüßte den
Kellner, als er kam, um ihre Bestellung aufzunehmen. Sie wußte, daß sie ihn
kannte, wenn sein mürrisches Gesicht auch nicht im geringsten verriet, ob er
sie ebenfalls wiedererkannte. Dann stieg eine schreckliche Erinnerung an einen
betrunkenen Flirt in ihr hoch. Mickey irgendwas hieß er, dachte sie.
»Und, hast du dich entschieden?«
fragte Charlie sie.
»Hamburger, denke ich«, antwortete
sie, ohne den Blick von der Speisekarte zu heben.
»Gute Wahl«, sagte Charlie und
bestellte zwei. Blutig.
Er stieß mit ihr an.
Die Champagner-Achterbahn kippte über
den höchsten Punkt und stürzte in die Tiefe. Was Charlie auch immer wollte, und
im Moment kam sie einfach nicht dahinter, eine feste Bindung war es sicher
nicht. Er würde Kinder nicht mehr annähernd so gern haben, wenn er herausfinden
würde, daß er einen Sohn hatte. Selbst wenn sie eine Beziehung anfangen würden,
und im Augenblick konnte sie sich nicht vorstellen, wie das funktionieren
sollte, solange die Lucretia-Frage noch wie ein schlafender Skorpion im
Hintergrund lauerte, dann würde es, wenn es so lief wie in der Vergangenheit,
nur ein paar Wochen dauern, höchstens ein paar Monate, und sie mußte Guy vor
Enttäuschungen bewahren.
Die Achterbahn kam unten an und
ratterte eine Weile auf dem Boden entlang, während Ginger ihre Pommes mampfte.
»Darf ich fragen, wo das Problem
liegt?« fragte Charlie, der von ihrem plötzlichen Stimmungsumschwung verwirrt
war. Er beugte sich nach vorn, damit ihn niemand hören konnte.
»Es gibt kein Problem«, log sie nicht
gerade überzeugend.
»Warum willst du dann nicht mit mir
ausgehen?« wollte er wissen.
Ihr Herz machte einen Sprung. Mit mir
ausgehen. Meinst du nur an einem Tag oder eine Weile länger? hätte sie ihn am
liebsten gefragt.
»Wegen Lucretia«, sagte sie ganz
spontan.
»Was hat sie denn um Gottes willen
damit zu tun?« fragte er. Verärgert über ihre Ausreden, warf er sich auf seinem
Stuhl zurück.
»Sag du’s mir«, antwortete Ginger
ruhig.
»Na ja, es stimmt schon, daß Lucretia
und ich in Oxford eine kurze Beziehung hatten, wenn es das ist, worauf du
anspielst«, sagte Charlie. »Aber das war, bevor sie entdeckte, daß sie lieber
Frauen mag, und bevor ich herausfand, daß ich Frauen bevorzuge, die nicht im
Bett Zigarre rauchen. Wir könnten niemals Geschäftspartner sein und miteinander
schlafen... Oder hast du was gegen unsere geschäftlichen Beziehungen?«
»Nein, nein, überhaupt nicht«, sagte
Ginger, die am liebsten alle möglichen Fragen gestellt hätte. War es allgemein
bekannt, daß Lucretia lesbisch war? Wenn ja, warum hatte Robert es ihr nicht
erzählt? Warum glaubte sie ihm überhaupt? Charlie war doch sicher nicht so ein
Schuft, daß er über so etwas Lügen verbreiten würde?
Die Achterbahn quälte sich wieder nach
oben. Charlie sah so wahnsinnig gut aus, wie er dort saß und sie mit großen,
braunen Augen eifrig ansah, wie einer von Mummys Spaniels. Was würde es schon
schaden, einen Nachmittag mit ihm zu verbringen? Bestimmt würde er sie zu einem
klasse Lunch einladen. Guy war im Moment noch viel zu klein, um Zuneigung zu
ihm zu entwickeln. Also was hielt sie noch zurück? Plötzlich fiel ihr ein
perfekter, neutraler Treffpunkt ein.
»Warum kommst du nicht mit uns zum
Bootsrennen? Ich brauche jemanden, der Guy auf die Schultern nimmt, damit er
was sehen kann«, sagte sie.
Charlie lachte laut. »Okay«, sagte er.
»Die Verabredung gilt.«
Es war fast soweit.
Neil nahm einen langen Zug von seinem
Lagerbier. Er würde sich mit ihr treffen und endgültig Schluß machen.
Theoretisch klang das sehr einfach, aber als der Zeitpunkt näher rückte, spürte
er, wie er schwach wurde.
Ich habe es einen Monat lang ohne
ausgehalten, dachte er grimmig und schüttelte eine Zigarette aus der Schachtel,
die er gerade gekauft hatte. Er gab jetzt
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