Keine große Affäre
und bin mit einem der Paare dort essen gegangen... Ja...
Na ja, der Mann war ein bißchen mies drauf, aber die Frau schien sehr nett zu
sein. Ich meine, nicht unbedingt mein Fall, aber es ist schon komisch, daß im
Moment jede schwangere Frau mein Fall ist. Nein, deshalb ruf ich dich nicht an.
Sorry... Nein, da war nur diese Nachricht, als ich zurückkam... Ja, deine habe
ich auch... Nein, deshalb rufe ich nicht an... Oh, meine Güte, Pic! Ich würde
es dir ja sagen, wenn du mich mal zu Worte kommen lassen würdest. Er hat
angerufen... Charlie Prince... Pic... Nein, ich habe nicht mit ihm
gesprochen... Deshalb rufe ich dich doch an, mein Gott!«
Am nächsten Tag, als Ginger zum
verrußten, roten Backsteineingang des Krankenhauses hinaufstrampelte, dachte
sie, wie deplaziert ihre Schwester zwischen dem Staub und den weggeworfenen
Zigarettenkippen wirkte, wie eine zarte Orchidee, die auf einer Müllgrube
wuchs. Schon von klein auf hatte Pic immer wie aus der Schale gepellt
ausgesehen. Sie war der Typ, der nach einem Langstreckenflug mit
unverschmiertem Make-up, unverknitterten Kleidern und Strumpfhosen ohne
Laufmaschen aus der Maschine stieg.
»Mir war es schon immer ein Rätsel,
wie du es schaffst, in einem Labor zu arbeiten und trotzdem so auszusehen«,
sagte Ginger und gab ihr zur Begrüßung einen Kuß.
»Ich sitze meistens am Computer«,
antwortete Pic und erwiderte ihren Kuß begeistert. »Und wenn ich im Labor bin,
trage ich einen Arbeitskittel.«
»Natürlich, und ich gehe jede Wette
ein, auch der ist persil-weiß und knitterfrei«, sagte Ginger, die keinen
Schimmer hatte, was ihre Schwester eigentlich tat, außer daß es sich um
hochwichtige wissenschaftliche Forschung handelte.
Pic kicherte.
»Du hast Rußflecken im Gesicht«,
informierte sie Ginger, zog ein sauberes weißes Baumwolltaschentuch aus der
Tasche und tupfte ihr damit die glänzenden rosafarbenen Wangen ab. »Mußt du
jetzt unbedingt radfahren, in...«
»Meinem Zustand?« unterbrach Ginger
sie verärgert.
»Ich wollte eigentlich sagen
>dieser Hitze<, aber ja, auch in diesem Zustand...«
»Eigentlich schiebe ich im Moment
sowieso meist. Es ist eine Art Kreuzung zwischen einem Einkaufswagen und einer
Gehhilfe für Schwangere, aber es ist besser, als in der Hitze in öffentlichen
Verkehrsmitteln zu schmoren.« Ginger bückte sich, um ihr Fahrrad an den
Eisenzaun anzuschließen. »Mir fehlt auch die Geduld. Ich meine nicht nur den
Zeitaufwand, sondern die Leute. Mir wird so heiß, und ich muß mich dermaßen
beherrschen, mich nicht nach vorn zu beugen und zu fragen, >Was hat Sie bloß
geritten, als Sie diese Krawatte gekauft haben?< und solche Sachen... Tief
durchatmen«, sagte sie, als sie sich wieder aufrichtete.
»Hilft das?« fragte Pic besorgt.
»Nein, Dummchen, ich bereite mich nur
auf den Besuch bei Daddy vor. Es ist das erste Mal, seit ich es ihm erzählt
habe.«
»Na ja, ich bin sicher, er hat sich
inzwischen von dem Schock erholt«, sagte Pic, die zuversichtlicher klang, als
sie sich fühlte, und sich fragte, ob es eine so gute Idee gewesen war, Ginger
dazu zu ermutigen, einen schwer herzkranken Mann zu besuchen. Ihr Bauch war so
dick, daß sie aussah, als würden jeden Augenblick die Wehen einsetzen, obwohl
ihr Geburtstermin erst in mehreren Wochen war.
Als Stephen zufällig sah, wie die
Zwillinge den Flur entlang zum Privatzimmer ihres Vaters gingen, erinnerten sie
ihn an diese auf ein Brett gemalten Rummelplatzfiguren, diese Karikaturen mit
Löchern statt Gesichtern, hinter die sich die Leute stellten und
hindurchlugten, um sich mit Witzkörpern photographieren zu lassen. Die
Zwillinge hatten identische Gesichter mit verschiedenen Frisuren, die auf
unterschiedlichen Körpern saßen. Selbst wenn man ihre Gesichter nicht sehen
würde, wäre einem Beobachter klar, daß sie verwandt waren, und nicht nur, weil
sie sich an den Händen hielten. Sie waren genau gleich groß und hatten den
gleichen Gang. Sie stellten die Füße nach außen wie kleine Ballettschülerinnen.
Stephen lächelte vor sich hin, bevor er sich abwandte. Das Gesicht kam ihm
bekannt vor, aber ihm fiel nicht ein woher.
»Darlings!« Ihre Mutter kam aus dem
Zimmer ihres Vaters gerauscht. Sie sah immer elegant aus, aber irgendwie
abwesend, als wäre sie in Gedanken mit etwas anderem beschäftigt. »Oh, Schatz!«
sagte sie, und ihre Stimme fiel vor Mißbilligung in den Keller, als sie Gingers
Aufmachung registrierte.
Ginger hatte schwarz-weiß
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