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Keine große Affäre

Keine große Affäre

Titel: Keine große Affäre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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gepunktete
Radlerhosen und ein ärmelloses Hemd aus demselben Baumwoll-Jersey Stoff an, das
über ihrem dicken Bauch mit großen, weißen Plastikknöpfen verschlossen war. Um
ihre gebleichte Kurzhaarfrisur trug sie als Stirnband ein leuchtend pinkes
Kopftuch mit einer Schleife. Die Schnürsenkel ihrer schwarz-weißen Turnschuhe
waren offen, und auf dem Rücken trug sie den schwarzen Lacklederrucksack.
    Patricia dagegen trug ein klassisches,
cremefarbenes Leinenkostüm mit einer zitronengelben Seidenweste unter der
kurzärmeligen Jacke und eine einreihige Perlenkette. Ihre Schuhe waren aus
cremefarbenem Leder, genau wie ihre Handtasche mit Schildpattverschluß, der
perfekt zu der kleinen Schnalle des schmalen, cremefarbenen Ledergürtels paßte.
    »Was, oh, Schatz?« forderte Ginger
ihre Mutter lautstark heraus.
    Ihre Mutter blickte an ihnen vorbei
den Flur entlang, um festzustellen, ob irgend jemand in Hörweite war.
    »Oh, es ist nur...«, sagte sie mit
einem schmerzlichen Gesichtsausdruck. »Du siehst so...«, sie suchte nach einem
Ausdruck, der nicht allzu abschätzig klang, »so bunt aus!«
    »Tut mir ja schrecklich leid, aber ich
sehe nicht ein, warum ich in einem gräßlichen Strampelanzug oder in
Armenhauskleidung aus verblichenem Denim herumlaufen soll, was die einzige
Alternative wäre«, verteidigte sich Ginger.
    Pic kicherte neben ihr.
    »Oh, Patricia, ermutige sie nicht auch
noch«, tadelte ihre Mutter sie, was sie beide zum Lachen brachte, weil sie das
schon sagte, so lange sie denken konnten, und dazu ohne großen Erfolg.
    »Wie geht’s Daddy?« fragte Pic, die
sich zusammenriß.
    »Er ruht sich aus, was er dringend
nötig hat«, sagte ihre Mutter und trat zurück, damit sie ins Zimmer gehen
konnten. »Er wird überglücklich sein, euch zu sehen, aber ihr dürft ihn nicht
zu sehr anstrengen«, sagte sie und sah Ginger streng an.
    Ihr Vater döste. Die Lamellenjalousien
am Fenster waren heruntergelassen und hielten das grellste Sonnenlicht ab, und
in der Dunkelheit des stillen, warmen Raumes war sein Gesicht grau. So wird er aussehen,
wenn er tot ist, dachte Ginger, die erschreckt feststellte, wie alt und krank
er in den Monaten geworden war, seit sie ihn zum letzten Mal gesehen hatte. In
ihr stieg eine Welle von Furcht und Zuneigung auf. Bitte haß mich nicht, wenn
du stirbst, dachte sie und hielt sich an der Hand ihrer Schwester fest.
    Seite an Seite näherten sie sich
zaghaft dem Bett, und als ob er ihre Anwesenheit spürte, öffnete er die Augen.
Eine Sekunde lang leuchteten sie vor unverhohlener Freude auf, aber dann, als
hätte er sich plötzlich daran erinnert, wer er war, verengten sie sich leicht
zu einem düsteren Blick.
    »Sieh mal einer an«, sagte er. »Meine
himmlischen Zwillinge.«
    Ginger machte sich auf die abwertende
Bemerkung gefaßt, die sicher auf dem Fuße folgen würde, und war überrascht, als
er nur auf die harten Stühle auf beiden Seiten des Bettes deutete. Sie setzten
sich.
    »Ich weiß nicht, ob ich mich geehrt
fühlen oder beunruhigt sein soll«, sagte er schließlich, »wenn mich verloren
geglaubte Verwandte besuchen, bevor ich unters Messer komme!«
    Ginger kochte, zwang sich aber, Ruhe
zu bewahren.
    »Oh Daddy, sei nicht albern«, sagte
Patricia schnell. »Wir sehen uns nie, weil du immer in Brüssel bist oder
sonstwo. Ich habe es aufgegeben, dich anzurufen, weil ich es satt habe, bei
deiner Sekretärin Nachrichten zu hinterlassen.«
    »Ich habe nur gescherzt, meine liebe
Pickles«, antwortete er, und sie wurde vor Verlegenheit rot.
    Du Mistkerl, dachte Ginger. Kein
Wunder, daß er Politiker war. Er liebte Kontrolle. Normalerweise war es Ginger,
die in seine Falle tappte, weil sie viel schneller an die Decke ging und
sprach, ohne groß nachzudenken. Sie fühlte sich jetzt ein wenig schuldig, weil
sie sich zurückgehalten hatte; weil ihr Schweigen Pic dazu verleitet hatte,
einzuspringen, um die greifbare Spannung im Raum zu entschärfen, und jetzt
standen sie beide blöd da. Ihr Vater lächelte. Was für ein Mensch mußte man
sein, wenn man noch an den kleinlichsten Machtkämpfen Freude hatte, fragte sie
sich irgendwie angewidert von ihm, haßte sich aber gleich dafür, weil er krank
war.
    »Und Ginger, geht es dir gut?« Er
wandte sich zu ihrer Seite des Bettes. »Du siehst aus wie...«
    »Sag nicht >wie das blühende
Lebern«, unterbrach Ginger ihn. »Das ist bloß ein Euphemismus für fett. Mir
geht es gut, danke, ich habe mir bloß den falschen Sommer ausgesucht...

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