Keine große Affäre
Gelegenheit könnte sich ergeben, aber, na ja, ich weiß nicht...«
Sie erzählte Lia von ihrer Verabredung
mit Charlie am nächsten Tag.
»Hast du vor, Guy mitzunehmen?« fragte
Lia.
»Natürlich«, sagte Ginger.
»Wenn du meinen Rat hören willst, tu
es nicht«, sagte Lia zu ihr. »Es gibt nichts Abtörnenderes als ein Baby, das
aufwacht, wenn du gerade in Stimmung kommst, und wenn er auch nur ein bißchen
so ist wie Anouska, wird er garantiert wach. Es ist, als würde sie es wissen«,
sagte sie lachend. »Selbst wenn sie schläft, kann ich mich einfach nicht
entspannen und es richtig genießen, weil ein kleiner Teil von mir immer an sie
denkt.«
»Und was macht ihr dann?« fragte
Ginger verwirrt. Sie wußte, daß Lia seit Anouskas Geburt keine Nacht von ihr
getrennt gewesen war.
»Wir legen sie in die Scheune«, sagte
Lia mit unbewegtem Gesicht und brach dann in Gelächter aus. »Wir machen es
einfach nicht oft«, gab sie zu.
»Gott, wie schrecklich«, sagte Ginger.
»Jemanden neben sich liegen zu haben, der aussieht wie Neil, und nicht...«
»Hmm, Aussehen ist nicht alles«, sagte
Lia, die sich fühlte wie eine ältere, erfahrene Frau, die gute Ratschläge
verteilte. »Mit der Zeit fällt es dir gar nicht mehr so auf. Auf alle Fälle ist
Sex anders als vorher, weil sich alles ums Baby dreht. Man denkt irgendwie
anders darüber. Finde ich jedenfalls.«
»Gott, danach zu urteilen, was du so
erzählst, lasse ich es lieber gleich«, rief Ginger aus. »Wahrscheinlich stellt
sich die Frage sowieso nicht. Ich hab noch nicht so ganz herausgefunden, was
Charlie will. Ich weiß nur, daß er etwas wollen muß...«
»Hör zu, wenn ich auf Guy aufpassen
soll, kein Problem. Ich habe nichts Besonderes vor. Vielleicht gehen wir zum
Fluß, aber wir könnten dich jederzeit mitnehmen, Kleiner, nicht?« Sie kitzelte
Guy unter dem Kinn.
»Da da da da da!« sagte Guy.
»Oh je«, sagte Lia. »Sag Charlie
lieber gleich, daß er das zu jedem sagt.«
»Gott, daran habe ich gar nicht
gedacht«, sagte Ginger und fügte schnell hinzu: »Vielen Dank für das Angebot,
aber du tust schon mehr als genug für mich, indem du es mir möglich machst, zur
Arbeit zu gehen. Du mußt mir nicht auch noch ein Sexualleben ermöglichen!«
»Ach, das macht mir überhaupt nichts
aus. Ich passe sehr gern auf Guy auf. Wir vermissen ihn an den Wochenenden
richtig. Nicht, Annie?«
Ihr zartes, kleines Mädchen lächelte,
als es seinen Namen hörte. Anouska war so still und lieb, daß es relativ leicht
war, sie zu vergessen, dachte Ginger, besonders weil Guy so lebhaft und laut
war. Sie hoffte, daß er Anouska nicht unterbutterte, aber Lia behauptete, daß
seine Energie Anouska half. Ginger schaute sie an und nahm sie zum ersten Mal
seit Wochen richtig zur Kenntnis. Sie sah langsam wie ein wirklich hübsches,
kleines Mädchen aus, mit weichen Löckchen in derselben Haarfarbe wie ihre
Mutter und einem absolut konzentrierten Gesichtsausdruck, als sie versuchte,
Guys Krabbeln nachzuahmen, jedoch auf den Bauch fiel.
»Oh je, und ich will, daß sie
Ballettänzerin wird!« sagte Lia, die ihr Kind beobachtete.
»Wirklich?« fragte Ginger.
»Na ja, ich fand, daß sie bei ihrer
Geburt so aussah. Wie eine kleine Ballerina. Deshalb wollte ich ihr auch einen
russischen Namen geben.«
»Magst du Ballett?« fragte Ginger, die
überrascht war, daß es so vieles gab, das sie von Lia nicht wußte.
»Ich liebe es. Als ich klein war,
haben sie uns an Weihnachten alle einmal mit in die Festival Hall genommen. Wir
haben Der Nußknacker gesehen. Davon habe ich mich nie wieder erholt!«
»Warst du schon mal in Covent Garden?«
»Nein. Es ist sehr teuer.«
»Eines Tages lade ich dich mal ein«,
sagte Ginger.
»Oh nein, das kann ich nicht annehmen.
Komm mit, Liebes«, sagte Lia und raffte Anouska an sich. »Gib deinem Freund
einen Abschiedskuß und mach winke winke.«
Beide Mütter wedelten gehorsam mit den
Händen ihrer Babys.
»Tschüs dann, bis Montag. Danke«,
sagte Lia, als sie den Umschlag von Ginger entgegennahm, der ihren Wochenlohn
enthielt, und zur Tür ging. Sie war sich nie ganz sicher, wie sie sich
verhalten sollte, wenn sie das Geld bekam. Es war der Punkt ihrer Arbeitswoche,
den sie nicht mochte, weil die Grenze zwischen Freundin und Angestellter klar
wurde. Sie war schon fast an der Tür, als sie kehrtmachte, Ginger spontan
umarmte und sagte: »Viel Glück morgen!«
Ginger stand mit Guy auf dem Arm am
Fenster und winkte dem roten Peugeot nach, als
Weitere Kostenlose Bücher