Keine große Affäre
ich
habe schon eine Verabredung«, sagte sie.
»Na, dann bring sie doch mit«, befahl
ihr Vater.
»Nein, tut mir leid, aber wir können
nicht«, sagte Ginger entschlossen und widerstand der Versuchung, ihn von der
Annahme abzubringen, daß sie mit einer Frau verabredet war.
»Patricia und Edward kommen auch.«
Gratuliere, hätte sie am liebsten
gesagt, aber sie bemühte sich, diplomatisch zu bleiben. »Wir können trotzdem
nicht«, sagte sie.
»Warum denn nicht?« Ihr Vater ließ
nicht locker. Er wollte nicht zulassen, daß sie ihm den Gehorsam verweigerte.
»Tut mir leid, aber das geht dich
nichts an«, sagte Ginger zu ihm, weil sein Ton sie wütend machte. Diese
Schlacht mußte sie einfach gewinnen. Sie würde es auf keinen Fall zulassen, daß
ihr Vater Charlie regelrecht ins Kreuzverhör nahm, wie er es mit jedem anderen
Mann gemacht hatte, den sie ihm blöderweise vorgestellt hatte. »Ich will nicht
unfreundlich sein«, fügte sie hinzu, weil sie dachte, daß sie ziemlich
unhöflich geklungen hatte.
»Unfreundlich?« wiederholte er
überheblich. »Ich dachte lediglich, mein Enkel könnte von dort aus den ganzen
Trubel besser beobachten, aber wenn du andere Pläne hast, wie du sagst...«
»Na ja, ich denke, er ist sowieso noch
ein bißchen zu klein, um überhaupt zu begreifen, was passiert«, versuchte
Ginger ihn zu besänftigen. Es gab nichts Schlimmeres als seine
Selbstmitleidsphase. »Vielleicht nächstes Jahr«, sagte sie, damit er wußte, daß
sie seine Einladung nicht aus Prinzip ausschlug. »Wenn er es wirklich genießen
kann.«
»Wer weiß, ob wir nächstes Jahr noch
alle da sind«, sagte ihr Vater.
Oh Gott, jetzt kam emotionale
Erpressung. Alles, was Ginger tun konnte, war, sich zu beherrschen.
»Sei nicht albern, Daddy«, sagte sie
forsch.
»Na gut.« Er kapitulierte.
Es war das erste Mal, daß er alt
klang. Die traurige Resignation in seiner Stimme war das einzige, das sie fast
dazu gebracht hätte, ihre Meinung zu ändern. Nein, beschloß sie, wenn er
dachte, diese Taktik hätte Erfolg, würden alle um ihn herum noch jahrelang die
Hölle auf Erden erleben.
»Vielen Dank für das Angebot«, sagte
sie.
»Auf Wiedersehen, mein Schatz«,
entließ er sie und knallte den Hörer auf.
»Ich habe ein Podest und ein paar
Fernrohre mitgebracht«, sagte Charlie am nächsten Tag, als er Guys Kindersitz
auf seinem Rücksitz befestigte. Es war einer dieser lächerlichen jeepartigen
Karren, mit Vierradantrieb und einer Nashornstoßstange, eher ein Modestatement
als ein Transportmittel. Ginger hatte noch nie begriffen, wer so blöd sein
konnte, in London mit einem Jeep herumzukurven. Jetzt wußte sie es.
»Du hast was?« fragte Ginger und
versuchte sich zu erinnern, ob sie an alles gedacht hatte, was sie brauchten.
Fläschchen, ein Glas Babynahrung, ein Lätzchen, seinen Buggy, eine
luftdurchlässige Decke, mit der sie ihn zudecken konnte, wenn er schlafen
wollte, eine Tasche mit frischen Windeln. Wie konnte ein so kleines Individuum
nur für ein paar Stunden soviel Kram brauchen?
»Ich habe darüber nachgedacht, was du
gesagt hast. Darüber, daß er in der Menschenmenge nichts sehen kann, und ich
habe einen unserer Schreiner auf dem Set beauftragt, mir ein Podest
zusammenzuzimmern. Er hat es irgendwie falsch verstanden und es mit rotem Samt
überzogen, aber ich glaube, es löst unser Problem.« Charlie deutete auf das Wagendeck,
und Ginger stellte sich auf die Zehenspitzen, um hineinzulugen. Dort war
wahrhaftig ein rotes Samtpodest mit einer Stufe, das aussah wie die Dinger, auf
die sich die Queen Mum normalerweise stellte, wenn sie bei einem Rennen Pokale
überreichte.
»Wie überaus praktisch«, sagte sie und
kicherte.
Charlie drehte sich um und lächelte
sie an. Sein Gesicht war von der Anstrengung, den Kindersitz festzumachen,
rosa. »Los geht’s! Wir sollten uns einen guten Platz aussuchen«, sagte er, nahm
Guy aus ihren ausgestreckten Armen und setzte ihn schwungvoll auf seinen Sitz.
»Komm, kleines Kerlchen«, sagte er.
»Da da da da da«, antwortete Guy.
»Das sagt er übrigens zu jedem«,
bemerkte Ginger so lässig, wie sie konnte, und kletterte auf den Vordersitz,
damit Charlie ihr Gesicht nicht sehen konnte.
»Ist sein Vater denn oft da?« fragte
Charlie, schnallte sich an und ließ den Motor an.
»Nicht oft, nein«, antwortete Ginger
wahrheitsgemäß.
»Macht dir das was aus?« Charlie
riskierte es, noch ein wenig weiter zu forschen. Er hatte nicht das Gefühl, daß
noch jemand
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