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Keine große Affäre

Keine große Affäre

Titel: Keine große Affäre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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schon
unangenehm war.
    Wieso hatte sie John Fabrizio nicht
gefragt, ob sie einen Freund mitbringen konnte? Sie versuchte, sich diese Frage
nicht zu stellen, aber sie würde sich damit konfrontieren müssen. Es war eine
Frage der unterschiedlichen Charaktere, sagte sie sich. In den letzten
vierundzwanzig Stunden hatte sie herausgefunden, wie verschieden sie und Neil
waren. Daran war ja nichts falsch, versicherte sie sich immer wieder. Das war
keine Frage von richtig oder falsch. Sie war einfach nicht daran gewöhnt, mit
Leuten zusammen zu sein, deren Vorstellung von einem schönen Wochenende in
Paris darin bestand, sich den Montmartre, den Champs Elysees und den blöden
Eiffelturm anzusehen. Sie war noch nie auf dem Eiffelturm gewesen, und der
Ausblick war phantastisch, aber es war einfach so primitiv, wie ein Tourist mit
ganzen Busladungen von Amerikanern durch die Gegend getrieben zu werden.
    Sie hatten also einen unterschiedlichen
Geschmack. Was war daran falsch? Man hörte nicht auf, in jemanden verliebt zu
sein, weil er sein Steak lieber durch aß als blutig oder weil er sich
stundenlang anstellte, um die Mona Lisa zu sehen, und dann das künstlerische
Urteil fällte, daß das Bild sehr klein war. Oder doch? Es war ihr gelungen, bei
ein paar anderen seiner Kommentare nicht mehr zusammenzuzucken, aber, das mußte
sie zugeben, die Vorstellung, ihn einer Gruppe der coolsten Leute in Europa
vorzustellen, war einfach undenkbar.
    »Du würdest es sowieso gräßlich
finden«, sagte sie fröhlich zu ihm.
    »Da bin ich mir ganz sicher«, sagte
er, als er sah, wie angespannt sie jetzt war. Er wollte nicht mit ihr streiten.
Sie waren nur kurze Zeit zusammen. Deshalb konnten sie es genausogut genießen.
     
    Beide Kinder schliefen. Anouska schien
es nicht besser zu gehen, aber auch nicht schlechter, dachte Lia, als sie ins
Kinderbett schaute. Wenn sie schlief, sah sie mehr oder weniger so aus wie
immer. Nur wenn sie wach war, machte sie sich Sorgen, weil sie so elend war, so
gar nicht wie das Baby, das sie kannte. Aber sie hatte in den letzten paar
Tagen selbst so wenig Schlaf gehabt, daß sie sich langsam fragte, ob sie das
überhaupt noch beurteilen konnte.
    Sie ging nach unten, machte sich eine
Tasse Tee und rührte Zucker hinein, wie Ginger es getan hatte, damit sie
Energie bekam. Diese Art Müdigkeit war wie ein übler Kater, dachte sie, als sie
an der heißen, süßen Flüssigkeit nippte und sich im Wohnzimmer aufs Sofa
plumpsen ließ. Dieser fröstelnd-fiebrige Zustand, nachdem die schlimmsten
Kopfschmerzen vorbei sind und man sich fühlt, als ob man eine halbe Sekunde
hinter dem Rhythmus der Welt hinterherhinkt.
    Nur noch zwei Tage, sagte sie zu sich
selbst und versuchte, die Augen offen zu halten. Achtundvierzig Stunden. Wenn
sie nur noch einmal so lange aushalten konnte wie bisher, dann würde Neil nach
Hause kommen, und alles wäre einfacher. Die Zeitspanne, seit er weggefahren
war, nicht einmal vierzig Stunden, erschien ihr viel länger, und sie war so mit
Anouskas Gesundheit beschäftigt gewesen, daß sie sich fast nicht erinnern
konnte, wie es war, wenn man nicht ständig vor Sorge halb wahnsinnig war. Das
Freiheitsgefühl, das sie wie ein Blitz durchfahren hatte, als er sich umdrehte
und winkte, bevor er um die Ecke verschwand, bereitete ihr jetzt Schuldgefühle,
als hätte sie es verdient, ihn jetzt so sehr zu vermissen.
    Was würde er sagen, wenn er hier wäre?
Würde er ihr vorhalten, sie sei albern, oder würde er nur einen einzigen Blick
auf Anouska werfen und sie sofort ins Krankenhaus fahren? Wahrscheinlich
ersteres, dachte sie, denn er haßte Krankenhäuser. Andererseits hatte er nie
besonders viel von ihrem Arzt gehalten. Was wäre, wenn das Baby etwas ganz
Schreckliches hatte und Lia sich auf sein Wort verlassen hatte, daß sie bald
wieder gesund würde? Neil würde durchdrehen. Anouska war auch sein Kind, und
trotzdem übernahm sie die alleinige Verantwortung für ihre medizinische
Behandlung. Vielleicht war sie einfach zu nachgiebig. Oder war sie nur völlig
neurotisch? Sie wurde panisch. Sie ging in die Küche und nahm den Telephonhörer
ab. Dann legte sie wieder auf. Was sollte sie dem Arzt sagen? Daß Anouskas
Zustand unverändert schien, sie sich aber trotzdem Sorgen machte? Er würde
ungeduldig mit ihr werden. Alles, was sie wollte, war, daß ihr jemand sagte,
sie mache sich unnötig Sorgen. Sie wollte nur, daß ihr jemand sagte, ihrem Baby
würde es bald besser gehen. Wieder nahm sie den

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