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Keine große Affäre

Keine große Affäre

Titel: Keine große Affäre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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vergiß das nicht.«
    »Wahrscheinlich schon«, sagte Lia.
»Ich wünschte, Neil wäre hier.«
    »Warum rufst du ihn nicht an und sagst
ihm, er soll nach Hause kommen?«
    »Na ja, ich glaube nicht, daß er
einfach wegfahren könnte. Die Anzahl der Lehrer muß in einem bestimmten
Verhältnis zur Anzahl der Schüler stehen, und ich will ihn nicht
beunruhigen...«
    »Warum nicht? Du bist auch beunruhigt.
Wieso sollte er nicht auch beunruhigt sein?« fragte Ginger ungeduldig, die
nicht verstand, wieso Lia ihn anscheinend immer schützen wollte.
    »Was würde das bringen?« fragte Lia.
    »Na ja, vielleicht fühlst du dich dann
besser«, sagte Ginger zu ihr.
    Lia kicherte.
    »Das ist schon besser«, sagte Ginger
lächelnd. »Wie sieht’s aus, kommst du mit Guy klar?«
    »Dem geht’s gut. Er bewahrt mich vor
dem Durchdrehen.«
    »Ich weiß nicht, wie lange ich noch
hier bleibe, aber ich rufe immer mal an.«
    »Okay«, sagte Lia. »Viel Glück!«
    »Danke«, sagte Ginger und legte den
Hörer auf.
    Sie überlegte, wen sie noch anrufen
konnte, doch bei allen Leuten, deren Nummern sie auswendig wußte, schaltete
sich der Anrufbeantworter an. Es war Osterwochenende. Da war keine
Menschenseele in London. Sie legte auf, weil sie nicht wollte, daß ihre Freunde
bei der Rückkehr aus dem Urlaub mit der Nachricht begrüßt wurden: »Hi, hier ist
Ginger. Mein Vater liegt im Koma, und ich wollte nur mal quatschen...«
    Charlie hatte gesagt, sie sollte ihn
anrufen, aber sie tat es nicht, weil sie fürchtete, vielleicht weinen zu
müssen, wenn sie seine freundliche Stimme hörte. Und das wäre nicht gut. Er
würde denken, daß sie zu klammern anfing.
     
    Der Arzt sagte zu Lia, Babys hätten
oft einfach nur so Ausschlag. Er knuffte Anouskas Haut ein paarmal und sagte,
es sei möglich, daß es sich um einen leichten Fall von Masern handelte. Er
schlug vor, sie mit lauwarmem Wasser abzuwaschen und ihr viel zu trinken zu
geben. Sie hatte hohes Fieber, und sie wollten doch nicht, daß sie
Schüttelkrämpfe bekam, sagte er beiläufig. Schüttelkrämpfe! Viele Kinder hätten
die, und das wäre sehr beängstigend, aber normalerweise nichts, worüber man
sich Sorgen machen mußte. Rechnen Sie nicht mit dem Schlimmsten, sagte er mit
einem Lächeln zu ihr und fragte, ob ihr Mann bald nach Hause käme. Sie erklärte
ihm, daß Neil weg war. Na, das ist aber schade, sagte er freundlich, denn wenn
man nicht genug geschlafen hat, neigt man dazu, sich schreckliche Sachen
vorzustellen.
    »Was für ein überheblicher
Scheißkerl!« sagte Ginger, als sie das alles hörte.
    »Ich bin irgendwie ganz froh, jetzt zu
wissen, was es ist«, sagte Lia. »Jeder kriegt mal die Masern, oder? Tut mir
leid, wenn Guy sich ansteckt...«, fügte sie schnell hinzu.
    »Sei nicht albern«, sagte Ginger zu
ihr.
    Sie sah Anouska in ihrem Bettchen an.
Der Ausschlag war im Gesicht kaum zu sehen, aber ihre Lippen schienen
unnatürlich rot zu sein. Sie wollte Lia nicht noch mehr beunruhigen, aber sie
dachte, wenn es um Guy ginge, würde sie eine zweite Meinung hören wollen.
    »Weißt du was, ich bleibe über Nacht«,
sagte Ginger. »Dann kannst du mal schlafen.«
    Lia war durch ihre Sorgen so
erschöpft, daß sie nicht automatisch ablehnte, wie sie es normalerweise getan
hätte.
    »Ich rufe mir ein Taxi, fahre nach
Hause, hole was zum Umziehen für mich und Guy und bringe auf dem Rückweg ein
chinesisches Takeaway mit, okay?«
    »Es wäre phantastisch«, sagte Lia zu
ihr, die für die praktische Hilfe wirklich dankbar war. »Bist du sicher?«
    »Natürlich«, sagte Ginger. »Ich wollte
heute abend sowieso nicht allein sein. Ich würde nur wachliegen und mir Sorgen
um Daddy machen, und es ist so lächerlich, das zwei Meilen die Straße runter zu
tun, wenn ich auch hier sein kann!«
    Sie kam mit zwei Tüten voll
chinesischem Essen zurück. Als sie an der Theke gestanden hatte, während das
Taxi draußen wartete, war sie einfach nicht fähig gewesen, etwas auszusuchen.
Ihrer Mutter zuliebe hatte sie sich den ganzen Tag bemüht, die Panik, die in
ihr aufstieg wie eine Flut, unter Kontrolle zu halten, aber jetzt, wo sie es am
wenigsten erwartete, fing sie an, die Sperren zu durchbrechen, die sie errichtet
hatte. Als sie auf die handbemalten Schilder mit der eigenwilligen
Rechtschreibung und der fehlenden Pluralbildung starrte, über die sie
normalerweise lachen mußte, verschwammen die Buchstaben und Zahlen vor ihren
Augen, und sie konnte sich nicht daran erinnern, was sie

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