Keine große Affäre
Planung, aber da hat sich plötzlich ein sehr
interessantes Interview ergeben, und Alison wollte es so gern machen. Wir haben
Justine als Gegenleistung eine Woche Urlaub versprochen«, fügte er lächelnd
hinzu.
»Im Moment bereiten sie einem viel
Freude, finden Sie nicht?« fragte Ginger und meinte damit die Kinder.
»Absolut. Wo ist denn Ihr kleiner
Junge heute?« fragte er und nippte an seinem Tee.
Ginger fing an zu erklären.
»...Die arme Lia. Ich fühle mich
deshalb ganz schrecklich, wirklich. Ihr Mann ist weg, und ihrem kleinen Mädchen
geht es sehr schlecht. Sie sollten eigentlich dieses Wochenende bei mir auf dem
Land verbringen. Dann ist das mit Daddy passiert... Lia sagt, sie hätte sowieso
nicht kommen können, wegen Anouska, aber ich glaube, sie will nur, daß ich mich
besser fühle...«
»Was hat ihr kleines Mädchen denn?«
fragte Stephen, mehr aus aufrichtiger Besorgnis als aus beruflichem Interesse,
dachte Ginger. Es war seltsam, daß sich zwischen den drei Familien eine
besondere Bindung entwickelt hatte, nur weil die Babys alle zur gleichen Zeit
zur Welt gekommen waren.
»Sie hat Fieber...« Ginger fing an,
Anouskas Symptome aufzuzählen, und endete mit: »Und heute morgen waren ihre
Hände und Füße sehr rot, als hätte sie einen Sonnenbrand, und die Haut würde
anfangen, sich zu schälen. Ich habe zu Lia gesagt, daß es vielleicht ein Ekzem
sein könnte... Was denken Sie?« Sie konnte nicht widerstehen, ihn zu fragen,
denn ihr fiel die Beunruhigung in seinen Augen auf.
Heute morgen hatte sie Lia dazu
gedrängt, ihren Hausarzt noch einmal zu rufen oder eine zweite Meinung
einzuholen. Und jetzt saß ein Arzt vor ihr. Sie wußte, daß Ärzte es haßten, auf
Dinner-Parties über Krankheiten ausgefragt zu werden. Aber das hier war alles
andere als eine Dinner-Party, dachte sie sich. Laß Ethik Ethik sein. Die
Gelegenheit war zu günstig, um sie auszuschlagen.
»Nun, es ist unmöglich, in absentia eine Diagnose zu stellen«, entschuldigte Stephen sich. »Und ich bin kein
Kinderarzt...« Er machte eine Pause, als ob er abwägen würde, ob er
weitersprechen sollte. Dann fügte er schließlich hinzu: »Aber es klingt so, als
sollte sich jemand Anouska einmal gründlich ansehen...«
»Ach, könnten Sie heute abend auf dem
Heimweg nicht vorbeikommen?« Ginger ergriff die Chance, die er ihr anscheinend
gegeben hatte.
»Nein. Nein, ich wäre dafür wirklich
nicht der Richtige«, sagte er entschuldigend.
Ginger seufzte und erzählte, wie wenig
mitfühlend Lias Hausarzt gewesen war.
»Ich glaube, Sie sollten folgendes
tun«, sagte Stephen. »Rufen Sie Lia an, und sagen Sie ihr, sie soll ihr
Töchterchen ins nächstbeste Krankenhaus bringen. Welches wäre das denn? Ich
sollte es eigentlich wissen. Ich wohne nur die Straße hinunter... Kann sie Auto
fahren?«
»Ja, schon, aber sie hat auch Guy bei
sich. Vielleicht sollte ich hinfahren und mit ihr zusammen ein Taxi nehmen?«
fragte Ginger in der Hoffnung, daß er ihr sagen würde, sie solle nicht so
albern sein. Irgend etwas in seinem Tonfall hatte ihr Angst eingejagt.
»Ja, gute Idee«, sagte Stephen und
stand auf, obwohl er kaum etwas getrunken hatte. »Sobald wie möglich, finde
ich. Sie soll dem diensthabenden Arzt sagen, daß sie mit dem Kinderarzt
sprechen will, und ihm oder ihr sagen, sie hätte mit jemandem gesprochen, der
es für einen potentiellen Fall von Kawasaki-Syndrom hält. Wahrscheinlich ist es
das nicht, also beunruhigen Sie Lia nicht übermäßig, aber wenn es das ist, ist
es sehr wichtig, daß sie schnell behandelt wird.«
»Was ist das Kawasaki-Syndrom?« fragte
Ginger entsetzt und ging einen Schritt schneller, um mit ihm mitzuhalten, als
sie sich wieder der Station näherten.
»Mukokutanes Lymphknotensyndrom«, sagte
Stephen, als ob ihr das helfen würde. Als er ihr Gesicht sah, fügte er hinzu:
»Es ist eine Kinderkrankheit, und die meisten Kinder erholen sich völlig davon,
aber für ein paar ist es nicht sehr angenehm. Ich weiß wahrscheinlich ein
bißchen mehr darüber als die meisten Ärzte, weil es die Kranzarterien schädigen
kann, verstehen Sie...«
»Ist es ansteckend?« fragte Ginger und
haßte sich selbst dafür, daß sie sofort an ihr eigenes Kind dachte, das keines
der Symptome gezeigt hatte.
»Nicht, daß ich wüßte. Bleiben Sie
einfach ruhig.« Er sah, daß sie zur Zimmertür ihres Vaters schaute. »Sie können
im Augenblick nichts für ihn tun«, sagte er freundlich.
»Aber was, wenn er stirbt, während
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