Keine große Affäre
aus.
Und jetzt sprach er mit ihr !Am Montag kann ich sagen, ich habe
mit ihm gesprochen, dachte sie.
Sie wußte, daß Diana die
Aufsichtsschülerin mit dem langen, blonden Haar war. Er war gesehen worden, als
er sie vor dem Eingang zu Hepworths küßte. Es war nur passend, daß das
bestaussehende Mädchen in der Stadt mit dem bestaussehenden Kerl ausging.
Selbst die Dutzende liebeskranken Zehntklässlerinnen mußten zugeben, daß darin
eine gewisse Logik lag, wünschten aber trotzdem von Herzen, daß Diana von einem
Bus überfahren würde.
»Ich glaube, sie ist gegangen.«
Später konnte sich Alison nicht
erklären, was sie zu einer solchen Lüge bewogen hatte. Drückte sein Gesicht in
dem Moment Wut, Erleichterung oder Gleichgültigkeit aus? Sie wußte nicht
einmal, ob er sie gehört hatte. Das Blut, das ihr ins Gesicht geschossen war,
schien auch ihre Ohren zu beeinträchtigen und alles zu dämpfen. Plötzlich
bemerkte sie, daß er sie wahrhaftig ansah, nicht durch sie hindurch oder an ihr
vorbei, sondern sie direkt ansah und versuchte, ihr in die Augen zu schauen,
die hektisch überallhin blickten, nur nicht in seine. Dann, es war unglaublich,
sagte er: »Willste tanzen?«
Nein, ich habe ein Kleid an, das meine
Mutter für mich gemacht hat, ich bin eine Freundin von Simons Schwester, und
ich bin erst in der zehnten Klasse. Wenn du das alles wüßtest, würde dir nicht
im Traum einfallen, mich anzusprechen, dachte sie. Da sie ihrer Stimme nicht
traute, nickte sie und folgte ihm ins Wohnzimmer.
Er wiegte sich vor ihr hin und her,
und sie versuchte, seine Bewegungen nachzuahmen. Sie wußte, daß sie den Takt
hielt, fühlte sich aber trotzdem ungelenk. Als sie zufällig mit dem Ärmel
seinen Arm streifte, wich sie ein wenig zurück.
» All the young dudes! «
jammerten Mott the Hoople.
Das Lied war eigentlich viel zu
langsam zum Tanzen, es war mehr zum Posieren. Ihr Gesicht fühlte sich so rot
an, daß sie sicher war, wie Neon zu leuchten. Sie riskierte einen schnellen
Blick durchs Zimmer. Alle anderen waren viel zu sehr mit Knutschen beschäftigt,
um sie zu beachten.
Dann legte Sallys Bruder das neue
Bryan-Ferry-Album auf, das er gerade gekauft hatte. Das erste Stück war eine
Coverversion des Stones-Songs >Sympathy for the Devil<. Es hatte einen
schnelleren Rhythmus. Sie fing an zu tanzen, wurde selbstsicherer und genoß es
fast. Neil lächelte sie an. Sie konnte ihr Glück nicht fassen und tanzte
weiter, ein Lied nach dem anderen, bis sich das Tempo änderte. Sallys Bruder
schnappte sich seine Freundin und preßte sie an sich. Alison hörte abrupt auf
zu tanzen und wollte sich zur Tür schleichen. Aber Neil hielt sie an der Hand
fest und zog sie zurück.
»Wohin willst du?« glaubte sie
verstanden zu haben, dann zog er die Augenbrauen hoch, nur ganz wenig, als ob
er sie stillschweigend um Erlaubnis bitten wollte, sie näher an sich
heranzuziehen. Sie erstarrte, weil sie Angst hatte, die Signale falsch zu
deuten. Sanft zog er sie an sich und legte die Hände auf ihre Taille.
»I know that this was bound
to be ...«
Bryan Ferry sang, und als sie sich
endlich traute, den Kopf an seine Schulter zu legen, dachte sie, an diesen
Augenblick werde ich mich bis in alle Ewigkeit erinnern.
Das Lied klang aus. Alison stand auf,
ging zum Plattenteller hinüber und spielte es noch einmal.
And still those little things remain
That bring me happiness or pain...
Alison schloß die Augen und wiegte
sich zur Musik. Sie erinnerte sich haargenau daran, wie es gewesen war, als sie
ihr Lied zum ersten Mal gehört hatte. Sie konnte Neils Hände fast immer noch
auf ihrer Taille spüren, die Hitze seiner Haut durch das schwarze T-Shirt, den
exotischen Duft seines Aftershaves riechen. Brut, fand sie später heraus. Noch
lange danach konnte sie auf der Straße an keinem Mann, der es benutzte,
vorbeigehen, ohne daß sie fast Proustsche Erinnerungen an Neil überkamen. Die
Produktion dieses Männerdufts mußte in den 198oern eingestellt worden sein,
dachte sie, um den Weg für Lynx oder Denim freizumachen, oder für irgendein
anderes Aftershave mit peinlicher Weihnachtswerbung, oder vielleicht war es ihr
auch nur nicht mehr aufgefallen.
Oh, how the ghost of you clings!
These foolish things
Remind me of you.
Auslöser von Erinnerungen waren für
Alison der Geruch von Motoröl, wenn sie an einer Autowerkstatt vorbeiging.
Lederjacken, der Geschmack von Lagerbier mit Limonensaft, Pubs, in denen die
Theke mit
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