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Keine große Affäre

Keine große Affäre

Titel: Keine große Affäre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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Messinggeschirr geschmückt war, John Player Special Zigaretten und
Zungenküsse.
    Wieder verhallte das Lied.
    Sie fragte sich, ob Neil sich an
dieselben Dinge erinnerte oder an andere oder an überhaupt nichts. Männer
erinnerten sich nicht so wie Frauen.
    Alison stellte das Lied noch einmal
an. Diesmal lächelte sie, als sie daran zurückdachte, wie sie auf der niedrigen
Mauer vor dem Jugendclub gesessen und sich geküßt hatten, sich einfach nur
geküßt hatten, und an das Gefühl, sechzehn zu sein und rasend verliebt.

Kapitel 2
    — -----------
     
     
    August
     
    Lia wollte das Baby Natalia oder
Anouska nennen, und sie verstand nicht, wieso das ein Problem darstellen
sollte. Sie hatten noch nicht über Namen gesprochen. In dieser Beziehung war
sie abergläubisch. Sie fand es nicht richtig, einen auszusuchen, bevor das Baby
auf der Welt war. Sie hatte gedacht, es würde dann schon aussehen wie ein
bestimmter Name. Und so war es dann auch. Mit dem feuchten, dunklen Haar und
dem hageren, zarten Gesichtchen sah ihre winzige Tochter aus wie eine
Miniaturballettänzerin.
    Neil sagte, mit ausgefallenen Namen
würde man später in der Schule gehänselt. Er wollte etwas Einfaches und
Schlichtes.
    »Wie wär’s mit Anna?« schlug er vor,
als würde er denken, daß es ein wenig wie Anouska klang.
    Zum ersten Mal in ihrer Beziehung
spürte Lia, wie Wut in ihr aufstieg.
    »Nein«, sagte sie bestimmt. »Du meinst
wahrscheinlich Jungs. Mädchen mit schönen Namen werden nicht gehänselt. Mir ist
das nie passiert.«
    »Aber du warst bestimmt immer hübsch«,
widersprach Neil. »Wir müssen berücksichtigen, daß sie häßlich oder fett sein
könnte. Dann würde sie unter dem Namen Anouska wirklich leiden.«
    Die Art, wie er Anouska aussprach,
ärgerte sie. Er hob die Stimme bei der zweiten Silbe, was furchtbar hochgestochen
klang. Sie sah das Baby in ihren Armen an. Konnte er nicht sehen, daß es schön
war? Lia drückte es schützend an sich.
    »Sie sieht aus wie eine kleine alte
Frau, findest du nicht?« sagte Neil und berührte die Wange des Kindes. Das Baby
zuckte zusammen, als ob es die Bemerkung gehört und verstanden hätte.
    »Ich stille sie jetzt«, sagte Lia und
wandte sich mit dem Baby im Arm von ihm ab. Sie fragte sich, ob er sich
insgeheim einen Sohn gewünscht hatte. Bei einem Jungen hätte er gewußt, was er
sagen mußte.
     
    Neil beobachtete, wie sie eine Brust
entblößte, die von der Milch rund und straff war. Sie murmelte leise, um das
winzige Wesen zum Saugen zu überreden. Er sah, wie konzentriert ihr Gesicht
war, ihre totale Inanspruchnahme, die sanfte Art, mit der sie ständig mit ihm
sprach, als sei das die natürlichste Sache der Welt. Er fühlte sich völlig
überflüssig.
    Er wußte einfach nicht, was er zu dem
Baby sagen sollte. Es war ihm peinlich, überhaupt irgend etwas zu sagen,
besonders wenn eine Schwester im Raum war. Schockiert erkannte er, daß er
absolut keine Verbindung zu dem kleinen, eingewickelten Bündel Fleisch und
Knochen in Unterhemd und Windeln empfand. Wenn er es anschaute, sah es einfach
nicht so aus, wie er sich das Baby die ganze Zeit vorgestellt hatte, als er mit
ihm durch die glatte Rundung von Lias Bauch gesprochen hatte.
    Es war drückend auf der Station. Die
heiße, verbrauchte Luft roch süß nach Talkum, Frauenblut und Babyscheiße. Er
entschloß sich, nach draußen zu gehen.
    Er saß vor der Entbindungsstation auf
einem Abhang im braunen Gras und beobachtete das Kommen und Gehen der Besucher
und des Krankenhauspersonals. Von Zeit zu Zeit erhob sich in der Ferne das
entnervende Geräusch einer Krankenwagensirene, wurde immer eindringlicher, je
näher es kam, und erstarb dann plötzlich, als das Fahrzeug in das
Krankenhausgelände einbog und sein blaues Licht sich wie wahnsinnig drehte,
während es auf die Rampe der Notaufnahme zuraste.
    Am meisten verabscheute er in
Krankenhäusern den Geruch, den widerwärtigen Gestank menschlichen Verfalls, der
niemals vollständig vom strengen Geruch der Desinfektionsmittel überdeckt
werden konnte. Er drang sogar bis in die Entbindungsstation, die eigentlich ein
Ort der Unschuld und des Lebens sein sollte.
    Die Geburt, von der er geglaubt hatte,
sie würde wunderbar werden, war entsetzlich gewesen. Als er sah, wie der Körper
seiner Geliebten durch die Gewalt der Wehen gemartert wurde, hätte er den Raum
am liebsten fluchtartig verlassen, aber er hatte gewußt, daß er das nicht tun
konnte. Es war seine Pflicht, bei ihr zu

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