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Keine große Affäre

Keine große Affäre

Titel: Keine große Affäre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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schneiden. Ab und zu, wenn
ein kicherndes pubertäres Mädchen sich traute, ihn anzusprechen, antwortete er
ruhig und lakonisch, stützte sich einen Augenblick auf seinen Spaten, ehrte sie
manchmal sogar mit einem direkten Blick und machte sich dann wieder ans Graben.
Die Tatsache, daß er weder lächelte noch mit gleichaltrigen Jungs verkehrte,
ließ ihn wie die coolste Kreatur auf Erden wirken. Abends saß er auf der Yamaha
250 seines Bruders auf dem Soziussitz. Mit einer Gang anderer Motorradfahrer
fuhren sie Seite an Seite, verursachten beim Beschleunigen einen Höllenlärm und
Abgaswolken und jagten den älteren Leuten in der Stadt panische Angst ein.
    Wie ungefähr hundert andere Mädchen
beobachtete Alison ihn von weitem, bis der Bruder ihrer Freundin Sally eine
Party warf.
     
    You came, you saw, you conquered me.
    When you did that to me, I somehow knew that this
    had
to be...
     
    Es war ihre erste richtige Party, und
sie haßte jede einzelne Minute.
    Überall waren Paare — an den
Kühlschrank gedrängt, auf dem Sofa, unter dem Eßtisch, vergraben unter dem
Jackenhaufen auf dem Elterndoppelbett. Immer, wenn Alison eine Tür öffnete,
kreischte ein Mädchen, oder ein Junge schrie: »Verpiß dich!« Sie stand eine
Ewigkeit vor der Badezimmertür, bis ihr aufging, daß sich auch dort drin ein
Paar eingeschlossen hatte.
    Ihr Vater hatte darauf bestanden, sie
um elf abzuholen. Sie hatte zwar protestiert, mußte aber nachgeben, als er
damit drohte, hineinzukommen und sie zu suchen, wenn sie ihn länger als fünf
Minuten im Auto warten ließ. Jetzt wünschte sie, sie hätte zehn gesagt.
    Sie trug ein Sommerkleid aus
gestreiftem Seersucker, und alle anderen waren in Jeans oder Hosen mit Schlag
und gebatikten T-Shirts oder Hemden aus indischer Baumwolle gekommen. Sie saß
oben auf der Treppe, hielt einen Plastikbecher mit warmem Cider in der Hand und
tat so, als wartete sie vor dem Klo. Immer, wenn jemand an ihr vorbeiging,
preßte sie sich an die Stofftapete. Sie fühlte sich genauso fehl am Platz wie
bei den Cocktailparties ihrer Eltern an Weihnachten, wenn man von ihr
erwartete, Erdnüsse herumzureichen, bis es Zeit war, ins Bett zu gehen. Dann
mußte sie nach oben verschwinden, wo sie im Bademantel auf dem Treppenabsatz
saß und zuhörte, wie das Lachen der Männer lauter wurde, und die schweren, nach
verbrannter Vanille riechenden Wolken aus Zigarrenqualm in den Flur zogen. Hier
dagegen roch es nach Zigaretten und Patchu-liöl, und den Lärm verursachten Mott
the Hoople, die aus den Lautsprechern dröhnten, die Sallys älterer Bruder Simon
in ihrer Garage gebaut hatte.
    »Wartest du?«
    In der Schule trug das Mädchen, das
die Frage gestellt hatte, das Haar zu einem langen Zopf gebunden. Sie war
Aufsichtsschülerin.
    »Nein«, antwortete Alison vorsichtig.
    »Dann geh mir gefälligst aus dem Weg!«
Die Aufsichtsschülerin warf sich ihr jetzt offenes Goldhaar über die Schulter.
    Gehorsam stand Alison auf und ging
nach unten. Erleichtert bemerkte sie das Telephon im Flur und nahm den Hörer
ab, aber als sie die ersten beiden Zahlen gewählt hatte, legte sie wieder auf.
Sie hätte schreien müssen, um die Platte zu übertönen, und sie würde die
triumphierende, höhnische Bemerkung ihres Vaters nicht ertragen können. Sie sah
wieder auf die Uhr. Seit dem letzten Blick darauf waren weniger als fünf
Minuten vergangen.
    Sie beschloß, sich am
Wohnzimmerfenster auf den Boden zu setzen. Dort war es dunkel, und die Musik
war so laut, daß niemand sie bemerken würde. Sie konnte hinter dem Vorhang nach
dem Auto ihres Vaters Ausschau halten. Sie glaubte nicht, daß er fünf Minuten
draußen sitzen bleiben würde, bevor er hereinkam, um sie zu retten.
    »Hast du Diana gesehen?«
    Plötzlich stand Neil Gardner vor ihr
und versperrte den Weg ins Wohnzimmer.
    Sie spürte, wie ihr die Röte ins
Gesicht stieg, so schnell wie Löschpapier rote Tinte aufsog.
    Wenn Woolworth neben Postern von
Robert Redford und David Bowie auch welche von ihm geführt hätte, wären sie an
einem einzigen Samstagmorgen restlos ausverkauft gewesen. Die Hälfte der
Zehntklässlerinnen hatte seine Initialen in ihren Tisch geritzt. Mädchen, die
früher zu Fuß nach Hause gegangen waren, nahmen jetzt den Bus, nur um eventuell
neben ihm an der Bushaltestelle warten zu können. Es war nicht nur sein
Aussehen (James Dean mit längerem Haar), es war sein Lächeln, seine Stimme,
seine schwarze Lederjacke. Alles an ihm zeichnete ihn als Wahnsinnstypen

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