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Keine große Affäre

Keine große Affäre

Titel: Keine große Affäre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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eigentlich gar nicht so
komisch, aber Alison hatte übertrieben lang gelacht. Sie spürte, wie die ganze
Anspannung von ihr abfiel, und dann hatte er sie gebeten, ihn zur Abschlußdisko
in der Jungenschule zu begleiten.
     
    »Und jetzt...«, sagte der
Radiomoderator ruhig, um das Tempo zu verlangsamen, und versuchte, seine Stimme
besonders rauchig klingen zu lassen, »relaxen wir alle. Warum legen Sie nicht
weg, was Sie gerade tun, und atmen tief durch mit >The Air that I
Breathe< von den Hollies...« Er schwieg während der ersten Akkorde und
sprach dann leise über das Intro: »Ich wette, einige von Ihnen erinnern sich
daran, zu diesem Song einen letzten Tanz getanzt zu haben. Damals, 1974, in dem
Jahr, an das wir uns heute erinnern...«
    Alison schüttete die Schüssel
Abwaschwasser in die Spüle und knipste den Wasserkocher an. Dann setzte sie
sich an den Tisch, tat so, als würde sie Zeitung lesen, hörte aber statt dessen
zu und gab sich ganz dem schmalzigen Lied hin.
    In der Oberstufendisko war es heiß und
dunkel gewesen. Der leichte Geruch von Jungenfüßen und Schulmahlzeiten
vermischte sich mit den künstlichen, weiblichen Zitronendüften von
Aquacitra-Schaumbad und Silvikrin Lemon-’n’-Lime-Shampoo. Eine Kugel, die sich
vor bunten Lichtern drehte, warf Muster auf die Portraits ehemaliger
Schulleiter. Neil und Alison nippten alkoholfreien Shandy aus Pappbechern und
waren sich einig, daß es zu peinlich war, vor den Lehrern zu tanzen, obwohl ein
paar von ihnen vergeblich versucht hatten, modern und locker zu wirken, und
sich in Jeans geworfen hatten.
    »Laß uns ein bißchen frische Luft
schnappen.«
    Als Neil ihre Hand nahm, spürte sie
den Neid aller Mädchen wie eine kalte Brise. Draußen überprüfte er, ob die Luft
rein war, und zog sie am Arm. Sie rannten über den Sportplatz, in die dunklen
Schatten, wo das Licht nicht mehr hinfiel, und duckten sich so tief wie
möglich, damit sie niemand beim Weglaufen ertappte. Die bunten Lichter im Saal
fluteten durch die hohen Rundbogenfenster über den halben Platz. Aus ihrem
Versteck unter der Pappelreihe am anderen Ende des Schulgeländes konnten sie
beobachten, wie dunkle Gestalten aus dem Gebäude kamen, um heimlich zu rauchen.
Ab und zu tauchte ein aufsichtsführender Lehrer auf. Das erkannte man an dem
orangefarbenen Bogen, wenn hastig eine brennende Zigarettenkippe weggeworfen
wurde, und an der Bewegung der Schatten an der Mauer entlang, wenn die Raucher
sich vom Beweismaterial entfernten. Die warme Abendluft trug ein paar Takte
Musik über den Platz. Das Gras roch nach Erde.
    Er legte sich hin, sah zum Himmel
empor und erklärte ihr die Sterne. Sie legte sich neben ihn, nur eine Armlänge
von ihm entfernt, und gab vor, die Sternbilder zu sehen, die er ihr zeigte. Sie
hatte Herzklopfen, und sie war sich sicher, daß er es hören konnte oder sehen,
wie ihr Herz unter dem cremefarbenen Baumwollhänger schlug. Sie war überzeugt,
daß er sie gleich küssen würde.
    Der herzzerreißende Refrain von The
Air that I Breathe wehte über das Kricketfeld.
    »Gefällt dir das Lied?« fragte Neil,
der seinen Vortrag über die Sterne abbrach und sich auf die Seite rollte. Er
stützte sich auf und sah auf sie herunter.
    »...Äh, ich weiß nicht so recht«,
antwortete sie nervös, da sie nicht wußte, was er dachte, und sich nicht
traute, sich festzulegen.
    »Es ist ein bißchen arg sentimental,
oder?« fragte er, pflückte neben ihrem Gesicht einen langen Grashalm und
kitzelte sie damit unter dem Kinn.
    »Ja, wahrscheinlich schon«, stimmte
Alison zu und kicherte ein bißchen.
    »Aber ich bin auch ein bißchen arg
sentimental wegen dir«, sagte er und senkte sein Gesicht weiter herab.
    Und bevor sie dazu kam, irgend etwas
zu sagen, lagen seine Lippen auf ihren.
    Oh Gott, dieser Kuß! Sein Mund leicht
geöffnet, fest und trocken auf ihren gepreßt, und seine Zunge zwischen ihren
Zähnen. Sie wußte nicht, wie sie atmen sollte, aber sie dachte, sie würde
lieber ersticken als aufzuhören.
     
    In ihrer 1990er Designerküche in Kew
schimpfte Alison mit sich selbst, weil sie sich genauso aufführte wie die
gefühlsduselige Hausfrau, die sich der Radiomoderator als Hörerin vorstellte
und an die er sich beim letzten klagenden Widerhall des Liedes jetzt wieder
gönnerhaft wandte.
    »...Nun, meine Damen, ich bin sicher,
das hat ein paar Erinnerungen wachgerufen... Sie hören gerade Oldies aus dem
Jahr 1974. Wir sind gleich wieder da mit den Sparks und ihrem einzigen

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