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Keine große Affäre

Keine große Affäre

Titel: Keine große Affäre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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die Gegend kutschiert«,
bemerkte Ginger mit ihrem unheimlichen Talent, auf den Punkt zu bringen, was
sie alle dachten.
    Alison stellte Bens Wagen neben den
anderen ab und kniete sich neben Lia ins Gras.
    »Und warum muß alles so lächerliche
Bezeichnungen haben?« fuhr Ginger fort. »Es ist ein Alptraum, bei Mothercare auch
nur den Mund aufzumachen und zu sagen, was man will. Und das ist, bevor man das Portemonnaie öffnet. Als wir klein waren, hatten wir einen Sportwagen,
aber jetzt nennt man das Buggy, und dazu muß man etwas kaufen, das Fußsack
heißt, wenn man sich traut, das zu sagen. Und dann gibt’s noch diese
Strampelanzüge...«
    »Ja, das sind alles nur Synonyme für
>Ihr-Baby-wächst-so-schnell-raus-daß-Sie-nicht-glauben-daß-Sie-gerade-fünfzehn-Pfund-für-zwei-ausgegeben-haben<«,
sagte Alison. »Ben war schon am ersten Tag zu groß für die Neugeborenengröße,
und wir konnten sie nicht einmal Umtauschen, weil meine Mutter darauf bestanden
hatte, daß ich sie wasche, bevor ich ins Krankenhaus gehe.«
    »Fang bloß nicht mit Müttern an«,
sagte Ginger. »Es macht mir solche angst, daß ich jetzt auch eine bin. Stellt
euch nur vor« — sie gestikulierte in Richtung der Kinderwagen — »in zwanzig
Jahren regen sich die drei wahrscheinlich über uns auf. Gott!«
    »Meine hat sich bis jetzt eigentlich
überraschend gut geschlagen«, sagte Alison plötzlich mit unerwarteter
Loyalität. »Abgesehen davon, daß sie alles besser weiß. Ich weiß nicht, wie ich
ohne sie zurechtkäme. Es gibt so viel zu tun, findet ihr nicht? Und Stephen
kommt manchmal so spät von der Arbeit... Ich wäre jetzt noch nicht gern allein
mit Ben...«
    »Deine Mutter wohnt im Moment bei
dir?« fragte Ginger erstaunt. »Ich habe meine schon nach einer Nacht vergrault,
fürchte ich, aber sie lebt auch in einer anderen Welt. Ich habe mich gerade
ihrem Versuch widersetzt, mir ein Kindermädchen in Gestalt einer Sturmführerin
aufzuzwingen. Wie läuft’s bei dir?« fragte sie Lia.
    »Neils Mutter war ein paar Tage da«,
sagte Lia und zog die Augenbrauen hoch. »Ein Alptraum! Wie du schon sagtest« —
sie nickte Alison zu — »sie weiß alles am besten.«
    »Meine hat schon immer die Nase
überall reingesteckt. — Ich nehme an... Was ist mit deiner Mutter?« fragte
Alison schnell, um ihren Ausrutscher zu kaschieren.
    »Ich habe eigentlich keine. Na ja,
vielleicht doch, irgendwo da draußen.« Lia pflückte Grashalme und überlegte, ob
sie den anderen von ihrer Vergangenheit erzählen sollte oder nicht. In England
gaben die Leute niemals Ruhe, bevor sie wußten, wo man herkam, aber wenn sie es
dann erfuhren, waren sie manchmal auch nicht glücklich damit. Zwischen den drei
Frauen entwickelte sich eine Art Nähe, die sie glauben ließ, sie würden sich
schon viel länger kennen, als es tatsächlich der Fall war. Sie beschloß, das
Risiko einzugehen.
    »Meine Mutter kam nicht mit mir
zurecht, deshalb bin ich im Heim aufgewachsen. Ich war eins der letzten
Barnadomädchen«, sagte Lia schließlich und sah ihre Begleiterinnen an. Sie
reagierten genau, wie sie es erwartet hatte.
    »Du Ärmste«, sagte Alison, auf deren
Gesicht sie all die Gefühle lesen konnte, die ihr so vertraut waren:
Überraschung, Entsetzen, Mitleid und Verlegenheit darüber, überhaupt danach
gefragt zu haben.
    »Wie war es dort?« fragte Ginger und
beugte sich neugierig nach vorn.
    »Ganz okay«, sagte Lia nach kurzem
Nachdenken. »Wenn ich höre, was andere Leute so über ihre Eltern erzählen, denke
ich manchmal, daß ich Glück habe, mich nicht mit sowas rumärgern zu müssen...
Sorry, ich wollte dich nicht vor den Kopf stoßen«, fügte sie hinzu, als Ginger
sich unruhig anders hinsetzte. »Manchmal war es sogar lustig. Wir haben mit
einer Hausmutter in einem Häuschen gewohnt. Wir sind zur Schule gegangen. Sie
haben so weit wie möglich versucht, uns sowas wie eine normale Familie zu
bieten. Manchmal war ich ein bißchen einsam — klingt verrückt, wenn man ständig
Leute um sich rum hat — , aber ich denke, so empfindet jeder, wenn er erwachsen
wird.«
    Alison dachte an ihre Kindheit, an die
Ferien in Cornwall, wo sie hinter dem Windschutz ihrer Eltern am Strand saß,
die anderen Kinder beim Burgenbauen beobachtete und sich wünschte, sie wäre
mutig genug zu fragen, ob sie mitmachen konnte. Statt dessen erkundete sie die
Gegend allein, durchkämmte die glitschigen Felstümpel, wo sie manchmal einen
kleinen Krebs oder eine schöne Muschel fand, und rannte

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