Keine große Affäre
neue Probleme
gestellt wurde, sobald sie auch nur den Rücken kehrte. Seit sie eine Kinderfrau
hatte, brauchte sie zwar keine langweiligen, niederen Arbeiten mehr zu
verrichten, aber sie mußte sich mit Arbeitsrecht auseinandersetzen, einen
Dauerauftrag für Justines Gehalt schalten, Entscheidungen darüber treffen,
wieviel Geld sie ihr zugestehen sollte, damit sie sich ihr Zimmer nach ihren
Vorstellungen einrichten konnte, und sicherstellen, daß immer genügend Bargeld
für Spielgruppen und andere Aktivitäten, an denen sie mit Ben teilnahm, zur
Verfügung stand. Vor einer Woche hatte ihre Putzfrau gekündigt, und obwohl sie
zugesagt hatte, so lange zu bleiben, bis sie Ersatz gefunden hatten, war sich
Alison darüber im klaren, daß sie ihre Geduld nicht länger als bis Weihnachten
auf die Probe stellen konnte. Außerdem mußte sie Geschenke besorgen und für die
Feiertage einkaufen, wenn weder Stephen noch Justine da sein würden und sie auf
sich selbst gestellt war. All das, ihr Job, Zeit für den Friseur finden,
Kleidung in die Reinigung bringen und jetzt auch noch potentielle Mieter
interviewen.
Trotzdem, rief sich Alison in
Erinnerung, war das alles noch viel besser als zu Hause herumzugammeln und
nichts anderes zu tun zu haben als zu grübeln.
Sie las den Brief noch einmal und
fragte sich, ob es vernünftig wäre, die Wohnung zu verkaufen. Der Markt war
angeblich wieder in Bewegung, aber selbst diese Möglichkeit wäre mit Streß
verbunden. Sie erinnerte sich an die endlosen Gespräche mit Immobilienmaklern
und Rechtsanwälten, als sie das Haus in Kew kaufen wollten. Bei seinen Arbeitszeiten
war Stephen in dieser Beziehung keine große Hilfe, und sie konnte so etwas viel
besser, wie er ihr immer wieder charmant versicherte, was seine Art war zu
sagen, daß er damit nichts zu tun haben wollte.
Im Gegensatz zu allen anderen in ihrem
Bekanntenkreis war Stephen in den frühen Achtzigern nicht duckmäuserisch dem
Thatcherschen Aufruf gefolgt, sein Vermögen in Eigentum zu investieren. Statt
dessen hatte er ein Apartment in Barbican gemietet und das Geld, das er von
seinen Eltern geerbt hatte, auf einem normalen Bausparkassensparbuch gelassen,
ohne sich auch nur die Mühe zu machen herauszufinden, ob er den höchsten
Zinssatz bekam. Er war locker, was seine Finanzen betraf, weil er es sich
leisten konnte. Seine Eltern waren reich und großzügig gewesen. Manchmal
ärgerte sie seine gleichgültige Einstellung, was Geld betraf, aber so hatte sie
wenigstens eine Entschuldigung gehabt, ihre Wohnung in Islington nicht zu
verkaufen, als es auf dem Markt so schlecht aussah.
Ihr gefiel der Gedanke nicht, die Wohnung
aufzugeben. Sie hatte zwar nie ernsthaft in Erwägung gezogen, dorthin
zurückzuziehen, aber die Möglichkeit bestand immer, was ihr sehr wichtig war.
Wenn man die Wahl hatte, war man keine Gefangene.
»Schlechte Nachrichten?« fragte Ramona
und ließ ihre Tasche auf den Schreibtisch gegenüber plumpsen.
»Nein, nicht direkt, aber ich kann
mich nicht entscheiden, was ich tun soll.« Alison schilderte ihr das Problem.
»Manchmal finde ich, wenn man sich
nicht entscheiden kann, ist es das beste zu entscheiden, später zu
entscheiden«, riet Ramona. »So hat man wenigstens irgendeine Entscheidung
getroffen.«
»Wie Scarlett O’Hara. — Damit kann ich
mich heute nicht befassen, deshalb denke ich morgen darüber nach.«
»Genau, aber an deinem
Südstaatenakzent mußt du noch ein bißchen arbeiten.«
»Du hast recht«, sagte Alison, die
beschloß, Ramonas simplen Rat zu befolgen und vor dem neuen Jahr nichts zu
unternehmen.
»Ich muß für alles ein System haben«,
fuhr Ramona fort. »Ich bin so ein Kontrollfreak. — Aber man kann nicht alles in
einem geistigen Ablagekorb sammeln, deshalb schreibe ich es mir auf und lege es
vorübergehend zu den Akten. Hey, ich hör mich schon an wie ein Management-Guru.
Wenn ich so weitermache, muß ich für meine Ideen langsam Gebühren erheben...«
»In Ordnung. Ich geb dir fünf Pfund,
wenn dir was Originelles zum Valentinstag einfällt«, sagte Alison, steckte den
Brief zurück in die Tasche und begab sich wieder an die Arbeit.
»Dabei bist du doch die Gattin
eines Herzspezialisten«, witzelte Ramona.
Alison verzog das Gesicht.
»Alle Welt macht Coeur à la creme mit Himbeercoulis, aber hast du das schon mal probiert? Welcher Mann will schon
weißen Brei mit verdünnter Marmelade essen?« fragte Ramona. »Letztes Jahr war
ungefähr zur selben Zeit
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