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Keine große Affäre

Keine große Affäre

Titel: Keine große Affäre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Imogen Parker
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Faschingsdienstag, also habe ich Pfannkuchen gemacht
und mit einer Plätzchenform Herzen ausgestochen. — Köstlich mit einer Prise
Zimt und ein paar Spritzern Zitrone!«
    »Du alte Romantikerin«, sagte Alison.
»Aber es ist eine nette Idee, sehr unkompliziert. Macht es dir was aus, wenn ich
das verwende?«
    »Solange du nicht Himbeercoulis als
Alternative obendrauf vorschlägst... Ich hab auch schon Herzen aus geräuchertem
Lachs ausgestochen und mit Tagliatelle und Pesto serviert, wenn es dich
interessiert. Du mußt die Plätzchenform aber gut abspülen, sonst kriegst du
fischige Pfannkuchen. Übrigens weiß ich nicht, wieso wir nicht einfach die Jobs
tauschen«, schlug Ramona müde vor. »Dir fallen immer viel bessere Sachen für
meine Artikel ein... Ich meine, du siehst sogar aus wie eine Moderedakteurin,
während ich so wirke, als würde ich die ganzen Rezepte ausprobieren.«
    »Auf keinen Fall«, konterte Alison.
»Von Mode habe ich genug. Wenn ich wirklich wechseln würde, hätte ich gern
einen interessanteren Job, wie zum Beispiel über die Frauenbewegung in
Guatemala zu berichten oder sowas.«
    »Hmm, in Guatemala gibt’s hübsche
Strickjacken. In Camden ist ein Geschäft...«
    »Ich meinte nicht ihre Kleidung!«
protestierte Alison. »Da fällt mir ein«, fügte sie geheimnisvoll hinzu, während
sie auf einem Kugelschreiber herumkaute, »ich muß heute mittag ein paar
Strumpfhosen kaufen. Erinner mich dran.«
    Es war einer dieser sonnigen,
berauschenden Wintertage, an denen sie sich fühlte, als würde die frische Luft
sie einatmen und nicht umgekehrt. Alison schlang ihren schwarzgrauen
Kaschmirmantel um sich und streckte das Gesicht in die Sonne. Es war unmöglich,
an einem solchen Tag nicht optimistisch zu sein. Der Sonnenschein verwandelte
die Flächen der riesigen Gebäude in kubistische Spiegel, und der Himmel
leuchtete in kräftigem Blau. Selbst das Tosen des Verkehrs erschien ihr
belebend, wie ein vergrößerter Herzschlag, der durch die Arterien der Stadt
pulsierte. Die städtische Landschaft mit ihren scharfen Winkeln, dem Ruß und
dem Lärm war ihr jederzeit lieber als das Land mit seinen Feldern und den
sanften, honigfarbenen Steinhäusern mit Rosen vor der Tür. An solchen Tagen
versetzte London ihr immer noch einen Adrenalinstoß und vermittelte ihr das
Gefühl, der eintönigen, beengenden Atmosphäre der Kleinstadt in den Home
Counties entkommen zu sein, in der sie aufgewachsen war.
    Sie erinnerte sich, daß sie an einem
Tag wie diesem mit Neil einen Tagesausflug nach Biba gemacht hatte. Es war das
erste Mal, daß sie ohne ihre Eltern in der Stadt war. Er hatte sie ermutigt,
hautenge, violette Superkleider anzuprobieren, obwohl sie nicht einmal genug
Geld hatten, sich im Golden Egg etwas zu essen zu kaufen. Sie hatten alles für
Bryan-Ferry-Konzertkarten im Rainbow auf den Kopf gehauen. Sie waren viel zu
früh dort, weil sie keine Ahnung hatten, wie schnell die U-Bahn war, und kamen
sich vor wie Bauerntrampel, als sie in den angrenzenden, grauen Straßen
umherschlenderten, um die Zeit bis zum Gig totzuschlagen.
    Sogar Finsbury Park war ihnen damals
glamourös erschienen, mit seinen Geschäften, die nach Gewürzen dufteten und vor
denen Kisten mit seltsamen Gemüsesorten standen. Es gab Gumbo und verwachsene
Süßkartoffeln, die immer noch mit karibischem Schlamm verkrustet waren.
    Bryan Ferry mit seinem weißen
Straßenanzug stand damals für alles, was London war und ihre Heimatstadt nicht.
Kultiviert, cool und distanziert. Als sie die eleganten, weltstädtischen
Ferry-Klone um sich herum beobachteten, hatten sie sich beide im stillen geschworen,
nie wieder verblichene Jeans zu tragen, und als er »These Foolish Things«
spielte, tanzten sie nicht und küßten sich auch nicht, sondern tasteten im
Dunkeln verstohlen nach den Fingern des anderen und hofften, daß sie niemand
beim Händchenhalten beobachtete. Zum Schluß hatten sie applaudiert und gejubelt
und lieber den letzten Zug fahren lassen als die Zugabe zu verpassen. Sie war
erst wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgekehrt, als sie im Wartesaal von
King’s Cross beim rauchenden Gasfeuer saßen, und sie vor Kälte und Angst
zitterte. Sie war überzeugt, daß ihr Vater sie nie wieder zu einem Konzert
lassen würde.
    Alison setzte sich an die Theke der
Sushibar über Liverpool Street Station. Mit wie wenig sie damals zufrieden
waren, dachte sie. Eine Tasse bitteren Kaffee aus einer rostfreien Stahlkanne,
die stundenlang auf einer

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