Keine große Affäre
Ginger
hatten sie darüber diskutiert, ob Alison der Kontakt zu ihnen vielleicht fehlen
könnte. Ginger hatte ihre Vermutung geäußert, daß Alisons Hochnäsigkeit nur
Nervosität war, und von ihrer Hilfsbereitschaft beim Kleiderkauf berichtet. Sie
hatten beschlossen, sie zu gemeinsamen Unternehmungen einzuladen, wenn Alisons
Arbeit es ihr erlaubte.
Neil schlenderte zurück in die Küche
und rief hinter der Kühlschranktür: »Willst du ein Bier?«
»Nein danke«, rief Ginger zurück. »Ich
hab ’ne Flasche Schampus mitgebracht«, sagte sie zu Lia und deutete auf den
Taschenhaufen bei der Treppe. »Er ist irgendwo da drin.«
»Ach, das wäre aber nicht nötig
gewesen«, sagte Lia, als sie einen Karton mit einer Flasche Veuve Cliquot ans
Tageslicht beförderte.
»Natürlich war es das«, gab Ginger
zurück. »Das ist das mindeste, das ich tun kann, wenn du schon auf Guy
aufpaßt.«
»Ach, das macht mir nichts aus. Wenn
er schläft, wenn du gehst, ist es kein Problem. Aber selbst wenn nicht... Ich
habe schließlich Neil, der sich um Annie kümmern kann.«
Ginger fiel auf, daß sie neuerdings
immer öfter die Kurzform von Anouskas Namen benutzten. Offensichtlich gefiel er
Neil nicht. Ginger nahm an, daß er ein ziemlich schwieriger Typ war, der oft
seine Launen hatte. Lia war sehr loyal, und Ginger hatte sie noch nie ein
schlechtes Wort über ihn sagen hören, aber in der letzten Zeit waren Lias Augen
ab und zu glasig gewesen, so als hätte sie geweint, und Ginger hatte vermutet,
daß sie kurz davor war, ihr ihr Herz auszuschütten. Ginger, die sich nicht als
Kummerkastentante eignete, hatte dann schnell das Thema gewechselt oder einen
schlechten Witz gemacht, so daß die momentane Spannung rasch verflogen war.
Es klopfte an der Tür. Lia ging, um zu
öffnen, und wirkte erleichtert darüber, daß sie Ginger den Champagner in die
Hand drücken konnte.
»Machst du ihn auf? Sag Neil, er soll
ein paar Gläser holen.«
Der kleine Raum mit der niedrigen
Decke war plötzlich voll Menschen. Mit einem kalten Luftzug kam Alison
hereingeschneit, die Ben auf einem Kindersitz trug, gefolgt von Stephen, der
eine weitere Flasche Champagner in der Hand hielt.
Alison küßte Lia auf die Wange.
»Hoffentlich hast du nichts dagegen, daß ich Stephen mitgebracht habe«, sagte
sie leichthin. »Er hat die anderen Babys noch nie gesehen, dabei hat er schon
so viel von ihnen gehört.«
»Natürlich nicht«, sagte Lia, die
begeistert darüber war, die Gastgeberin einer spontanen Fete zu sein. »Gebt mir
eure Mäntel... Gott, gehst du immer so zur Arbeit?«
Unter dem grauen Mantel trug Alison
ihr schwarzes Nicole-Farhi-Wollkleid, das nur eine riesige, schnörkelige
Silberbrosche zierte. Sie sah ganz besonders elegant und schlank darin aus. Lia
wurde sich plötzlich bewußt, wie unförmig der blaue Pulli war, den sie über
ihren Jeans trug, und wünschte, sie hätte sich wenigstens etwas Sauberes
angezogen. Sie besaß nicht viele schicke Wintersachen. In Portugal hatte sie
nichts Warmes gebraucht, und wenn sie sich um Anouska kümmerte, wurde alles so
schnell dreckig, daß ihr nie in den Sinn gekommen war, sich etwas Hübsches zu
kaufen, selbst wenn sie das Geld dafür gehabt hätte.
In der Küche gab es einen lauten Knall,
und man hörte Champagner auf Linoleum spritzen.
»Nein, halt sie im Winkel von
fünfundvierzig Grad«, wies Ginger Neil an. »Siehst du, so läuft es aus
irgendeinem Grund nicht über.«
»Du hast offensichtlich mehr Erfahrung
als ich, dieses Zeug aufzumachen«, erwiderte Neil leicht gereizt, und dann
kamen sie gemeinsam ins Zimmer zurück.
»Das ist also das Kleid«, sagte
Stephen und sah Ginger anerkennend an. »Du hattest recht, Darling, es sieht
sagenhaft aus.«
Manchmal war Alison über Stephens
gutes Gedächtnis überrascht. Sie wußte nicht einmal mehr, daß sie ihm von dem
Kleid erzählt hatte, bei dessen Auswahl sie Ginger geholfen hatte. Ganz spontan
nahm sie seine Hand und drückte sie, um ihm für das reizende Kompliment zu
danken. Als sie wieder losließ, bemerkte sie, daß Neil den Blick auf die Stelle
gerichtet hatte, wo ihre Finger gerade Stephens umklammert hatten. Sie war so
daran gewöhnt, Lia und Ginger zusammen zu sehen, daß ihr gar nicht in den Sinn
gekommen war, daß er auch dasein würde. Er riß sich von dem Anblick los,
vermied es, ihr in die Augen zu sehen, und trat vor, um Stephen auf typisch
männliche Art freundlich die Hand zu schütteln.
»Champagner?« fragte Ginger von
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