Keine große Affäre
also Lehrer?« fragte sie
schließlich.
»Ja. Ziemlich weit davon entfernt, für
England zu eröffnen, aber es reicht, um die Miete zu zahlen. Gerade so«, sagte
er.
Es war das erste Mal, daß einer von
ihnen auf Dinge anspielte, über die sie in der Vergangenheit gesprochen hatten,
und es brachte sie prompt aus dem Gleichgewicht.
»Tja, wir haben alle einen weiten Weg
hinter uns«, sagte sie und kämpfte gegen das plötzliche Bedürfnis an, ihn zu
fragen, ob er sich an das Bryan-Ferry-Konzert erinnerte.
Ihre Worte klangen abgedroschen und herablassend,
bemerkte sie, als sie sie im Geiste wiederholte, vor allem, weil er davon
gesprochen hatte, daß er weit von seinem Traum entfernt war, und sie etwas
völlig anderes meinte.
»Aber du spielst noch Kricket. Ich
habe dich gesehen — auf dem Platz...«, sagte sie stockend und fühlte sich fast
schäbig, zuzugeben, daß sie ihn ohne sein Wissen beobachtet hatte.
»Ja, aber seit dem Unfall ist es nicht
mehr dasselbe. Ich bin im Winter ’76 vom Motorrad gestürzt«, sagte er und
starrte sie bedeutungsvoll an. Sie hatte plötzlich das Gefühl, als sei es
allein ihre Schuld gewesen, daß sein Traum nicht in Erfüllung gegangen war.
Sie war erleichtert, als sie Stephens
und Lias Schritte auf der Holztreppe hörte. »...Aber was macht Alison dann?«
hörte sie Lia zu ihm sagen.
»Oh je, Sie jagen mir Schuldgefühle
ein«, antwortete Stephen. »Du kommst doch zurecht, Liebling, nicht wahr?«
fragte er und duckte sich, um sich nicht an dem Balken am Fuße der Treppe zu
stoßen.
»Ja, natürlich«, antwortete sie. Sie
nahm an, daß sie über Silvester sprachen.
»Wenn du nichts Besseres vorhast,
wären du und Ben herzlich willkommen. Es ist schrecklich, an Silvester allein
zu sein«, sagte Lia und fügte, wie Alison befürchtet hatte, hinzu: »Neil?«
»Wenn wir daheim sind«, sagte er unverblümt.
»Wo sollten wir denn sonst sein?«
fragte Lia ihn überrascht.
»Ach, ich weiß nicht. Ich hab mir
sagen lassen, an Silvester gehen Leute manchmal auf Parties«, sagte er und
versuchte seine schroffe Bemerkung mit einem Witz zu überspielen.
Alle lachten ein wenig nervös, und
Alison sprang auf, um Stephen seinen Mantel zu geben, bevor er es sich wieder
im Sessel gemütlich machen konnte.
Die engen Straßen von Soho pulsierten
vor Menschen. Ginger wußte nicht, ob das schon immer so gewesen war und sie sich
so daran gewöhnt hatte, daß es ihr gar nicht mehr aufgefallen war, oder ob es
einen plötzlichen Restaurantboom gegeben hatte, der zeitlich mit ihrer
Gefangenschaft in den Vororten zusammenfiel. Als sie sich dem schicken, neuen
Club näherte, in dem sie noch nie gewesen war, wurde sie richtig aufgeregt. Sie
war in der Stadt, und sie würde sich amüsieren.
Im Foyer gab es ein öffentliches
Telephon, doch sie zwang sich, daran vorbeizugehen. Das einzige, was sie
erreichen würde, wenn sie Lia jetzt anrief, wäre es, die Babys zu wecken. Guy
war gut aufgehoben, sagte sie zu sich selbst. Seltsamerweise hatte sie ihn
lieber bei einer anderen Mutter gelassen als bei Pic, die wegen einer Banalität
in Panik geraten oder etwas Ernstes übersehen konnte.
Sie schlüpfte in die Damentoilette und
starrte in den Spiegel. Ihre neue, geschniegelte Frisur verblüffte sie immer
noch. Sie frischte ihren Lippenstift auf und drückte einen Kuß auf ein
Kosmetiktuch, das aufmerksamerweise zur Verfügung stand. Dann steckte sie den
Lippenstift wieder in die Seitentasche ihres schwarzen Lackrucksacks. Sie
wünschte, sie hätte den Weitblick besessen, die sauberen Windeln und Babytücher
herauszuräumen. Sie stellte sich vor, wie entsetzt Alison bei der Vorstellung
wäre, mit dem Rucksack zur Party zu gehen, und gab ihn zusammen mit dem Mantel
widerwillig an der Garderobe ab. Sie fühlte sich nackt und wußte nicht, wo sie
ihre entblößten Arme hintun sollte. In solchen Momenten wünschte sie sich, sie
würde rauchen. Sie atmete tief durch und ging hinein. Durch ihre hohen Absätze
fiel es ihr leichter als sonst, in der Menschenmenge bekannte Gesichter
auszumachen.
Roberts Weihnachtsparties waren für
zwei Dinge berühmt — für den Champagner, der in Strömen floß, und für die
Horden schöner, ungebundener Männer, die bedauerlicherweise nicht das geringste
Interesse an der fast gleichen Anzahl attraktiver Singlefrauen zeigten.
»Anschauen ist erlaubt, anfassen
nicht«, sagte Robert, der ihr ein Glas in die Hand drückte und sie dabei
beobachtete, wie ihr Blick einem
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