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Keine halben Küsse mehr!: Roman (German Edition)

Keine halben Küsse mehr!: Roman (German Edition)

Titel: Keine halben Küsse mehr!: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lorelei Mathias
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Frühstück?«
    »Ach, ich könnte keinen Bissen runterkriegen, ich hab viel zu viel Angst. Weißt du was? Blasen wir das Ganze doch einfach ab!«, rief Claire melodramatisch aus und tauchte dann unter ihr Kissen ab.
    »Hör dich doch an – du klingst, als hättest du Neurose-Nachhilfestunden bei mir genommen!« Amelie sprang Claire auf den Rücken und begann mit einem anderen Kissen auf sie einzuschlagen. »Jetzt komm schon!«
    »Verzieh dich!«, kam es gedämpft unter dem Kissen hervor. Doch es dauerte nicht lange, und Claire gab sich geschlagen. »Na gut!« Sie stand auf. »Okay, ich zieh’s durch – aber nur, weil du mich dazu zwingst!«

    Nachdem sie vier Stunden lang mit Lockenstab, Schminkutensilien und dem dichten Verkehr zwischen Bristol und Cardiff gerungen hatten, erreichten sie gerade noch rechtzeitig das Standesamt.
    Dan stand auf der Bühne des kleinen weißen Saals. Er sah fantastisch aus in einem schwarzen Ralph-Lauren-Anzug. Sein Blick war fest auf die Tür gerichtet, durch die – hoffentlich – sogleich seine Braut kommen würde.
    Einige nervöse Minuten verstrichen. Alle Anwesenden hielten unwillkürlich den Atem an. Um genau drei Minuten nach halb eins ging die Tür auf und Claire trat ein, gefolgt von Amelie. Claire sah tatsächlich atemberaubend aus, so wie Amelie es versprochen hatte. Sie trug ein wundervolles, duftig fallendes Empirekleid mit einer kurzen Schleppe, die sie hinter sich herzog. Ihr langes blondes Haar ergoss sich in seidigen Wellen über ihre Schultern, geschmückt mit kleinen weißen Blümchen.
    Weder Claires noch Dans Familie noch irgendein anderer Gast konnten die Augen von der schönen Braut abwenden. Amelie konnte kaum glauben, wie schön alles war, wenn man bedachte, wie kurzfristig die Hochzeit geplant worden war. Wie engelsgleich Claire aussah! Amelie nahm ihren Platz unter den Gästen ein und verfolgte mit klopfendem Herzen, wie die beiden ihre Gelübde sprachen. Es war die erste Hochzeit, die sie sozusagen live miterlebte. Ein trauriges Lächeln stahl sich über ihre Züge. Als Claire an der Reihe war, fühlte Amelie sich gegen ihren Willen bezaubert, lauschte der elfengleichen Stimme, die sich diesem Mann angelobte. Amelie, die in einer lieblosen Welt von Untreue und Scheidung aufgewachsen war, musste zu ihrem Erstaunen feststellen, wie bewegt sie war, als würde ihre harte Schale ein wenig aufweichen. Nachdem die formellen Worte gesprochen waren, sagte der Standesbeamte: »Sie dürfen die Braut jetzt küssen«. Obwohl Amelie aufgrund zahlloser Girlie-Filme eigentlich hätte abgebrüht sein müssen, schienen diese Worte in Claires und Dans Fall nun auf einmal mit einem ganz neuen Sinn erfüllt zu sein, und sie kamen Amelie überhaupt nicht kitschig vor.
    Während Dan Claire in die Arme nahm und ihr einen langen, innigen Kuss gab, schaute Duncan zufällig zu Amelie hinüber. Er musste blinzeln. Er reckte den Hals, weil er sicher war, sich das nur einzubilden. Nein, tatsächlich: Eine einsame Träne kullerte über Amelies Wange. Niemand sonst hatte dies gesehen, nur er. Amelie kramte hastig ein zerfleddertes Tempo hervor und tupfte sich damit die Augen ab. Auch sie selbst hätte nicht überraschter sein können.
    Nach einer kurzen Pause trat Lydia, Claires beste Freundin aus ihrer Studentenzeit, auf die Bühne und begann Pam Ayres Gedicht »Yes, I’ll marry you« vorzutragen. Der Saal brüllte vor Gelächter, denn Lydia besaß ein ausgesprochenes Talent als Komikerin. Abermals rann eine Träne über Amelies Wange, diesmal jedoch vor Glück.
    Danach kam Veronika, Claires Schwester, an die Reihe. Nervös mit ihren Blättern raschelnd trug sie das Sonett Nummer 116 von Shakespeare vor. Veronika, die wie ein jüngerer Klon von Claire aussah, las scheu und charmant, wenn auch ein wenig monoton. Amelie musste sich anstrengen, die leise gesprochenen Zeilen zu verstehen: »Love’s not time’s fool, though rosy lips and cheeks within his bending sickle’s compass come; Love alters not with his brief hours and weeks, but bears it out even to the edge of doom...«
    Amelies Augen füllten sich abermals mit Tränen. Was war bloß los mit ihr? Sie verstand es nicht ganz, spürte jedoch, wie sich etwas Hartes in ihr behutsam auflöste. Sie wusste, dass das Verhalten ihrer Eltern sie von klein auf mit der Ansicht indoktriniert hatte, die Ehe müsse um jeden Preis vermieden werden. Dass sie nur in Tränen und einem herzzerreißenden Scheidungskrieg enden könne. Doch jetzt,

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