Keine Lady fuer Lord Strensham
Niedertracht!“
„Das dachte ich auch. Als Nächstes besorgten sie sich eine Sonderlizenz und schüchterten einen Vikar ein oder bestachen ihn, mich mit Granby zu verheiraten. Den örtlichen Geistlichen hatten sie offenbar nicht dazu überreden können. Ich weigerte mich, das Gelübde zu sprechen, und auch dieser Vikar, so korrumpiert er auch gewesen sein mochte, erlaubte niemandem, mich zu zwingen. Am selben Abend noch schloss Granby mich mit ihm in Großvaters Gemach ein, um mich so zu kompromittieren, dass ich ihn heiraten musste.“
Marcus stieß eine Reihe höchst derber Schimpfworte aus. „Verzeih“, sagte er dann finster. „Was ist danach geschehen?“
Wie sollte sie ihren schlimmsten Albtraum beschreiben? Thea ließ einige angespannte Sekunden verstreichen. „Er zerriss mein Kleid und drängte mir seine widerwärtigen Küsse auf. Seine ekelhaften, plumpen Hände waren überall, wo … sie nicht sein durften. Ich konnte es nicht ertragen, und so biss ich ihn in die Lippe und versetzte ihm einen Schlag gegen seine empfindlichste Stelle. Um ganz sicher zu gehen, hieb ich ihm noch eine seiner Weinflaschen über den Schädel.“
„Sehr löblich“, sagte Marcus mit ruhiger Stimme, obwohl er an sich halten musste, um Thea nicht seinen Zorn merken zu lassen. Der Gedanke an dieses widerliche Subjekt, das es gewagt hatte, seine tapfere Frau zu misshandeln, brachte sein Blut zum Kochen.
„Ja, es hat mir große Befriedigung verschafft.“
Bei diesen Worten sah sie ihn mit so stolzer Miene an, dass er lachen musste.
„Danach schien er glücklicherweise kein Verlangen mehr nach mir zu empfinden“, fuhr sie fort. „Er ließ den Wein stehen und trank immer mehr von dem Weinbrand, bis er das Bewusstsein verlor. Seine Mutter schloss am nächsten Morgen in der Gegenwart des Vikars und der halben Nachbarschaft, wie mir schien, auf. Angeblich tief schockiert, verlangte sie, unsere Hochzeit gleich am folgenden Tag stattfinden zu lassen. Selbst unser Vikar erklärte sich einverstanden, da ich so offensichtlich kompromittiert war.“
„Ich habe viel zu viel Nachsicht mit den hinterhältigen Gaunern gezeigt. Sie hätten verdient, durch die Straßen gepeitscht zu werden!“
Thea lächelte nur gelassen. Keine Frau ist wie meine, dachte er bewundernd. In diesem Moment beschloss er, sie nie gehen zu lassen. Er musste sie für sich gewinnen, sonst würde er für den Rest seines Lebens allein bleiben. Keine andere Frau kam seiner wunderschönen, tapferen, klugen Gattin gleich.
„Erzähle bitte weiter“, bat er sie.
„Man sperrte mich wieder in meine Dachkammer. Sobald die Dunkelheit einsetzte, zwängte ich mich durch das schmale Fenster, das auf das Dach führte, und kletterte an einer Regenrinne hinunter. Und das war es schon.“
„Beabsichtigtest du nicht, die Familie deines Vaters zu Hilfe zu holen?“
„Sie nahmen mich nach dem Tod meiner Eltern nicht auf, als ich sie am meisten brauchte. Und auch jetzt legen sie ja keinen Wert darauf, mich anzuerkennen.“
„Wissen sie denn überhaupt von deinem neuen Namen? Ich hätte eine Heiratsanzeige in die Zeitung setzen lassen sollen.“
„Warum sollte ich Menschen kennenlernen wollen, die mich nur akzeptieren, weil ich eine Viscountess geworden bin?“
„Wie du möchtest“, gab er nach. „Was geschah als Nächstes?“
„Ich lief, so schnell ich konnte, immer weiter. Beim ersten Tageslicht stahl ich einige Sachen von einer Wäscheleine. Meistens schlief ich bei Tag und ging bei Nacht weiter. Ich versteckte mich unter Büschen und im Wald, immer in sicherer Entfernung von der Straße. Ein einziges Mal war ich gezwungen, Brot und eine alte Decke aus einem Cottage zu stehlen, und kam mir genauso gemein vor wie Granby, obwohl ich ihnen ein paar Shilling daließ.“
Marcus schüttelte lächelnd den Kopf. „Sie werden eher geglaubt haben, eine gute Fee hätte sie besucht.“
„Nun, das ist meine Geschichte bis zu dem Moment, als ich eines Nachts in einer Hütte in der Nähe von Rosecombe Zuflucht suchte, weil ich glaubte, ungestört zu sein. Den Rest kennst du. Erst in Rosecombe fühlte ich mich einigermaßen sicher. Doch Miss Hardy hätte keinen Tag als einfache Dienerin überstanden. Also musste ich notgedrungen einige ihrer schlechten Eigenschaften ablegen.“
„Du wärst ihnen schon bald entwachsen, hätte man dich nur dazu ermutigt“, sagte er nachsichtig.
Er war so freundlich, sie zu verteidigen. In ihrer Dankbarkeit hätte Thea am liebsten Trost
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