Keine Lady ohne Tadel
anzulehnen.
»Wir haben gerade darüber gesprochen, wie reizend dir das Häubchen steht«, begann Fanny. »Gewiss wirst du noch merken, wie sehr es einem das Leben erleichtert. Eine Haube zeigt lüsternen Männern, dass du eine anständige und tugendhafte Frau bist. Niemals wird einer Frau mit Haube ein unzüchtiger Antrag gemacht.«
Arabella schaute Esme schelmisch an. »Ich habe deiner Mutter gerade gesagt, dass sie mir keine ihrer Hauben zu leihen braucht.«
Fanny ignorierte den Einwurf. »Und Lady Bonnington hat mir erzählt, wie nett dein Verlobter zu dir ist. Ich muss sagen, es klingt ganz nach einem ehrenwerten Gentleman. Wie schade, dass Mr Fairfax-Lacy seinen Ehrentitel verliert, wenn die Herzogin von Girton einen Sohn bekommt! Er ist doch ein Earl of Spade, nicht wahr? Natürlich könnte die Herzogin auch ein Mädchen zur Welt bringen. Wir wollen das Beste hoffen.«
»Mr Fairfax-Lacy macht keinen Gebrauch von seinem Titel«, murmelte Esme.
Doch ihre Mutter hörte es nicht. »Noch besser wäre es natürlich, wenn der Earl seinen Sitz im Parlament aufgäbe. Das Unterhaus ist … eben das Unterhaus, nicht wahr?«
»Mr Fairfax-Lacy erwägt dies auch«, erklärte Esme. »Er möchte mehr Zeit für sein Gut haben.«
Fanny lächelte und tätschelte ihre Hand. »Ich bin überzeugt, dass du bei diesem Unterfangen die treibende Kraft sein kannst. Diese Neuigkeiten muntern mich wirklich auf, mein Schatz.«
»Das freut mich zu hören, Mama.«
»Vielleicht könntest du mit einer Sondergenehmigung heiraten«, fuhr ihre Mutter fort. »Das wäre die beste Wahl. So entgeht man den Gaffern, die bei einer öffentlichen Trauung in Scharen einfallen würden.«
»Wahl? Welche Wahl hat sie denn?«, fragte Arabella mit hörbarer Verbitterung.
»Die Wahl, Witwe zu bleiben oder schleunigst Mr Fairfax-Lacy zu heiraten«, erwiderte Fanny gereizt. »Und da wir unserer lieben Esme wieder eine Position in der Gesellschaft verschaffen wollen, wird eine rasche Eheschließung wohl nicht allzu streng beurteilt werden. Was meinst du, Honoratia?«, wandte sie sich an die Marquise.
»So gern ich Lady Rawlings recht bald in vorteilhafter Stellung sehen möchte«, sprach Lady Bonnington, »halte ich doch wenig von Ehen, die innerhalb des Trauerjahres geschlossen werden.«
Esme stieß einen Seufzer der Erleichterung aus.
Arabella zwinkerte ihr zu. »Du bist gewiss auch bestrebt, eine geeignete Braut für deinen Sohn zu finden«, wendete sie sich an Lady Bonnington. »Ich weiß, dass er an keiner Frau unserer kleinen Gesellschaft hier interessiert ist, bin aber sicher, dass du dir schon einige Gedanken gemacht hast.«
Esmes Mutter erstarrte. Es war deutlich zu sehen, dass sie nichts von der Anwesenheit des Verrufenen im Lande gewusst hatte – und nun gar in diesem Haus! »Darf ich fragen –«, begann sie mit schriller Stimme.
Doch Lady Bonnington ließ sie nicht zu Wort kommen. Esme musste zugeben, dass die Marquise eine eherne Durchsetzungskraft besaß. »Fanny, kein Mensch auf der Welt kann das Benehmen meines Sohnes strenger tadeln als ich. Aber ich bin der Meinung, dass er nun lange genug im Exil gelebt hat. Natürlich hat er mich nach Shantill House begleitet! Ein pflichtbewusster Sohn begleitet seine Mutter überallhin, wenn sie es wünscht.«
»Aber gerade dieses Haus ist doch gewiss nicht der geeignete Ort!«, stotterte Fanny. »Wenn man bedenkt, was letzten Sommer geschehen ist …«
»Darüber sprechen wir nicht«, erklärte Lady Bonnington hochmütig.
Fanny klappte den Mund zu.
Esme verkniff sich ein Grinsen. Vielleicht konnte sie sich einen Tages Lady Bonningtons Methode zu eigen machen.
»Die Ereignisse des letzten Sommers haben uns alle, die wir hier anwesend sind, auf die eine oder andere Art in Mitleidenschaft gezogen.« Lady Bonnington nickte Esme kurz zu, dann wandte sie sich wieder an Fanny. »Sei versichert, liebe Fanny, dass ich den Jungen an der kurzen Leine halte. Wohin ich auch reise, muss er mir folgen. London erschien mir in dieser Saison doch reichlich ermüdend und stickig, deshalb habe ich beschlossen, mich aufs Land zurückzuziehen.«
Fanny nickte. »Da stimme ich dir zu. Es ist viel zu früh für den Marquis, wieder in der Öffentlichkeit zu erscheinen. Aber muss er sich unbedingt hier, im Hause meiner Tochter, aufhalten?«
»Niemandem dürfte es einfallen, seiner Anwesenheit in diesem Hause unlautere Absichten zu unterstellen, solange ich mich hier aufhalte«, polterte die Marquise.
»Das ist
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