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Keine Lady ohne Tadel

Keine Lady ohne Tadel

Titel: Keine Lady ohne Tadel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eloisa James
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Kummer. Nun schwiegen alle, und bald schon übten Helene und Stephen erneut den türkischen Marsch für vier Hände. Bea hatte für den Rest ihres Lebens von vierhändigen Klavierstücken genug. Und ebenso von einer sittsamen Gräfin und einem ehrbaren Politiker.
    Abrupt stand sie auf und verließ den Salon. Wenn alles so unerträglich war, dann konnte sie ebenso gut die Ziege besuchen. Bea pilgerte immer noch täglich zu dem undankbaren Tier, obgleich sie Stephen dort nicht mehr begegnet war. Er schien sie und die Ziege zu meiden.
    Bea stapfte den Weg hinunter, ohne auf den Morast zu achten, der sich an ihren zierlichen Stiefeln festtrat, und stellte Überlegungen darüber an, ob sie auf dem Land leben könnte. Die Hecken waren von einer Wildrosenart überwuchert, deren blassrosa Blüten wie verblichene Vorhänge aussahen. Zum ersten Mal in ihrem Leben nahm sie die Veränderungen des Frühlings wahr. Ein alter, knorriger Baum am Wegesrand hatte ein Meer von weißen Blüten hervorgebracht, die an seinen Zweigen prangten wie Schleifen an den Schühchen der Debütantinnen.
    Und überall sprossen Gänseblümchen. Bea begann sie zu pflücken. Schließlich nahm sie sogar ihren Hut ab und füllte ihn mit Blumen. Es machte ohnehin nichts, wenn ihre Haut in der Sonne ein bisschen Farbe bekam. Das ließ sich leicht mit weißem oder rosa Puder überdecken. Es war einfach wunderbar, Sonnenwärme auf den Wangen zu spüren. Endlich gelangte sie ans Ende des Pfades und lehnte sich an das Weidengatter. Und natürlich war der verdammte Ziegenbock ebenfalls da. Er trottete auf sie zu und nahm aus ihrer Hand ein Zweiglein entgegen. Manchmal wagte sie sogar ein paar Schritte auf die Weide, denn der Bock hatte sich nie wieder erdreistet, Kleidungsstücke zu fressen. Bea schob das Gatter auf und steuerte den kleinen knorrigen Baum in der Mitte der Wiese an. Auf der Weide wuchsen keine Gänseblümchen. Die Ziege fraß sie vermutlich in dem Moment ab, wenn sie ihre Köpfe aus der Erde streckten. Doch der Baum war von einem Ring aus frischem grünem Gras umgeben.
    Als Bea an den Baum gelehnt dasaß, wurde ihr klar, dass sie heimkehren musste. Heim zu ihrem erzürnten Vater, der sie nicht wieder hinauswerfen würde, wenn sie ihm hoch und heilig versprach, künftig ein Ausbund an Schicklichkeit zu sein. Und heim zu ihren Schwestern. Bea vermisste ihre kleinen Schwestern sehr. Seit sie Stephen kannte, wollte sie nicht mehr die Rolle des verrufenen Weibes spielen. Dieses Spiel kam ihr nun hohl und schäbig und nicht mehr sonderlich aufregend vor.
    Gedankenverloren holte sie die Gänseblümchen aus ihrem Hut und flocht sie zu einer Kette, einer recht merkwürdig aussehenden Gänseblümchenkette, aus der einige Stiele in rechten Winkeln herausstachen. Solch eine Kette hatte sie früher immer für ihre kleinen Schwestern geflochten. Vielleicht sollte sie Arabella bitten, sie schon am nächsten Morgen nach Hause zu schicken.
    Er stand so plötzlich vor ihr, als wäre er aus dem Erdboden gewachsen. »Wie kannst du dich nur so anschleichen!«, fauchte Bea wütend.
    »Du siehst aus wie der Frühling«, sagte er und starrte sie hingerissen an.
    Bea musste gegen ihren Willen lächeln. Sein Kompliment war angebracht, trug sie doch ein horrend teures Schäferinnenkleid im Marie-Antoinette-Stil, das an der Vorderseite geschnürt und mit duftiger Spitze besetzt war. Plötzlich ging er vor ihr in die Hocke. Sie starrte ihn erschrocken an. Der Ausdruck seiner Augen …
    Bea streckte ihre Hand aus und berührte sanft seine Wange. »Was ist denn, Stephen? Geht es dir nicht gut?« Sie vergaß ganz, dass sie ihm die Freundschaft aufgekündigt hatte und dass sie seit einer Woche kaum ein Wort miteinander gewechselt hatten.
    »Nein, es geht mir gar nicht gut«, sagte er seltsam stockend. »Ich habe aus meinem Leben ein furchtbares Durcheinander gemacht.«
    »Warum sagst du das?«, fragte Bea verblüfft.
    »Weil ich eine Dame bat, mich zu umwerben«, erwiderte er, und unter dem Blick seiner Augen fühlte sie ihre Knie weich werden. »Weil ich eine Dame gebeten habe, um mich zu werben, und weil sie es mir abgeschlagen hat. Es war auch unglaublich dumm von mir.«
    Bea biss sich auf die Lippen. »Warum?«
Sag jetzt nicht, dass du mich nie wolltest,
betete sie stumm. Doch in seinen Augen lag ein Ausdruck, der ihr Hoffnung gab.
    »Weil ich ihr stattdessen hätte sagen sollen: Verführe mich. Nimm mich. Bitte.«
    Bea vermutete, dies sei das Stichwort, damit sie sich wie

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