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Keine Lady ohne Tadel

Keine Lady ohne Tadel

Titel: Keine Lady ohne Tadel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eloisa James
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du mich erschrecken willst«, sagte Fanny, ohne auf den Themenwechsel der Tochter einzugehen. »Allein bei der Vorstellung dreht sich mir der Magen um.« So sah sie auch aus. Honoratia überlegte, ob es im Bereich des Möglichen lag, dass Fanny ihr Abendessen wieder von sich gab.
    »Mama, vielleicht könnten wir später darüber reden«, sagte Lady Rawlings flehend und legte Fanny beschwichtigend die Hand auf den Arm.
    Doch Fanny schüttelte die Hand ab. »So lasse ich mich nicht abwimmeln! Und ich bin sicher, dass die anderen Damen ebenso angewidert sind!«
    Honoratia nahm einen Schluck Tee. Als Lady Rawlings zum ersten Mal verkündet hatte, sie werde ihr Baby selbst stillen, hatte sie es auch als abstoßend empfunden. Die Vorstellung, ein Kind dürfe an den intimsten Körperstellen saugen, verursachte ihr Ekel. Doch gestern war sie in der Kinderstube gewesen und hatte zugeschaut, wie Esme William die Brust gab. Seit diesem Erlebnis dachte sie anders darüber.
    »Obgleich ich meinen Sohn damals einer Amme anvertraut habe«, sagte sie, »kann ich es nicht abstoßend finden.«
    Fanny warf ihr einen feindseligen Blick zu, der in Honoratia Empörung hervorrief. Hatte Fanny etwa vergessen, was sie ihrer Stellung schuldig war? Es war reine Güte von ihr, Honoratia, diese Freundschaft aufrechtzuerhalten.
    »Wie dem auch sei«, fuhr Fanny verbittert fort, »ich weiß die Mehrheit der vornehmen Gesellschaft auf meiner Seite. Ist dieses üppige Stück Fleisch, das du der Welt unbedingt präsentieren musst, auf diese abstoßende Praxis zurückzuführen, Esme?«
    Lady Rawlings nahm einen Schluck Tee. »Ja, Mama.«
    Honoratia musste zugeben, dass Lady Rawlings Rückgrat besaß.
    »Wenn ich ein Kind bekommen hätte, dann hoffe ich, ich wäre ihm eine ebenso gute Mutter gewesen«, bemerkte Arabella.
    Fanny fuhr mit dem drohenden Blick einer zustoßenden Schlange zu ihr herum. »Es war der Wille des Herrn, dass du keine Kinder bekommen solltest, und er hat recht daran getan!«
    Arabella erbleichte, erhob sich von ihrem Stuhl und verließ das Zimmer. Man vernahm lediglich ein leises Rascheln von Seide und dann das Klicken, als die Tür ins Schloss fiel.
    »Das war sehr unfreundlich, Mama.« Lady Rawlings sah ihre Mutter mahnend an. »Und deiner unwürdig.«
    »Ich habe nichts als die lautere Wahrheit gesagt.«
    »Bitte entschuldige dich bei Tante Arabella. Sie ist kein nachtragender Mensch, und wenn du dich beeilst, wird sie dir deine lieblose Bemerkung gewiss verzeihen.«
    Doch Fanny trank seelenruhig einen Schluck Tee. Sie wirkte eher, als habe sie einen Sieg errungen. »Nun denn«, sagte sie aufgeräumt. »Sie müssen entschuldigen, wenn wir den Anschein erwecken, als wüssten wir uns nicht zu benehmen. Ich versichere Ihnen, dass nicht alle in unserer Familie so schlechte Manieren besitzen!«
    Doch ihre Tochter war bereits aufgestanden. »Würden Sie mich bitte entschuldigen? Mama, unterhalte bitte die Gäste während meiner Abwesenheit. Ich werde mit meiner Tante sprechen.« Damit war sie verschwunden.
    Fanny wandte sich an Lady Beatrix Lennox. »Als
dame de compagnie
meiner Schwester«, sagte sie mit schlauem Lächeln, »möchten Sie vielleicht auch gehen, da meine Tochter ja der Ansicht zu sein scheint, Lady Withers gräme sich.«
    Lady Beatrix warf Fanny einen kalten Blick zu. Dann erhob sie sich und knickste. »ich wüsste nicht, was ich lieber täte.«
    »Jetzt können wir es uns endlich gemütlich machen«, sagte Fanny, nachdem die Tür zum dritten Mal ins Schloss gefallen war. »Meine Nerven vertragen die Anwesenheit unmoralischer Frauen nicht. Man möchte ihnen so gern helfen, doch jede Hilfe ist zu spät. Wenn der gute Ruf einer Frau einmal verloren ist, dann kann er nicht wiederhergestellt werden.« Sie schüttelte traurig den Kopf. »Ich fürchte, das ist alles eine Frage der Veranlagung. Meine Tochter hat eindeutig den Charakter meiner Schwester geerbt.«
    Dies war der Augenblick, in dem Lady Bonnington entdeckte, was es für ein Gefühl war, einen Fehler gemacht zu haben. Sie nahm das Zitronentörtchen, das Fanny ihr anbot, während sie darüber nachdachte.
    Die Gräfin von Godwin hatte bislang wenig zur Unterhaltung beigetragen. Sie war eine schöne, wenn auch ein wenig blasse Person. Doch jetzt beugte sie sich ein wenig vor, und Honoratia musste nach Luft schnappen. Im Profil wirkte die Gräfin wie ein anklagender Engel, wie eine steinerne Statue des heiligen Michael, der die Paradiespforte mit seinem Schwert

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