Keine Lady ohne Tadel
auch sie ihre Zunge spielen. Dann merkte sie, was sie tat, und schloss rasch den Mund. Nichts hasste Bea mehr, als wenn ein Mann seine große Zunge dort hineinsteckte, wo er nichts zu suchen hatte.
Doch das tat er nicht. Seine Lippen streiften über ihr Gesicht und verweilten sanft auf ihren Augen, wanderten dann, hungriger, zu ihrem Mund zurück, bis sie einen süßen Schmerz tief in sich spürte.
Er hält mich wahrscheinlich für eine Jungfrau,
dachte Bea verwirrt.
Sein Mund hinterließ eine kleine Feuerspur auf ihrer Haut. Er knabberte an ihrem Ohr, und es kribbelte am ganzen Leib. Tatsächlich wollte sie … dass er es noch einmal versuchte. Komm zurück, lockte sie stumm und drehte ihr Gesicht seinen Lippen zu. Versuche mich zu küssen, richtig zu küssen. Doch er tat es nicht. Stattdessen fuhr seine Zunge um die zarten Knöchelchen ihrer Ohrmuschel, und ihrer Kehle entrang sich ein heiseres Stöhnen. Er reagierte, indem er sie ins Ohrläppchen zwickte, und sogleich fuhr ein heftigeres Zwicken zwischen ihre Beine.
Er zog an ihrem Haar, und sie warf gehorsam den Kopf zurück, die Augen geschlossen, und erlaubte ihm, ihre Kehle zu küssen, während sie inständig darum flehte, er möge doch zurückkehren, sie auf den Mund küssen … Doch er wollte sich wohl ausgiebig an ihrer Kehle laben. Sie öffnete den Mund, um etwas zu sagen, doch in diesem Augenblick schien er beschlossen zu haben, dass er sie genug gequält hatte, und sein Mund legte sich auf den ihren.
Bea konnte seiner Kraft ebenso wenig widerstehen wie sich ihr entwinden. Dieses Mal lockte er sie nicht – er nahm, und sie gab. Und dieser Kuss war nicht wie andere, die sie über sich ergehen lassen hatte. Der Kuss des Puritaners war gefährlich und süß und wild. Schauer überliefen sie, und sie bog sich ihm entgegen. Seine Hände fuhren über ihren Rücken, selbstsicher und besitzergreifend. Gleich würde er sie vorn berühren, und ihre Brüste sehnten sich schon nach seiner …
Dieser Gedanke war es, der Bea schlagartig zur Besinnung brachte. Als sie sich am Morgen angekleidet hatte, hatte sie nicht voraussehen können, dass jemand auf einer Wiese handgreiflich werden würde. Ihre Brüste würden der Hand eines Mannes schwerlich Widerstand leisten, denn sie bestanden eher aus Baumwolle als aus Fleisch. Sie entzog ihm ihren Mund und starrte ihn keuchend an. Ihm jetzt einen verführerischen Blick zuzuwerfen, wäre ihr nicht einmal in den Sinn gekommen. Sie war viel zu erschrocken.
»Es gefällt mir, wenn Sie so aussehen«, sagte er, und wieder stand dieser freundliche Ausdruck in seinen Augen. Er streckte die Hand aus und entfernte einen Schmutzfleck von ihrer Wange. »Sie sehen vom Regen geküsst und sehr jung aus. Auch ziemlich erschrocken. Ich hatte den Eindruck, als wollten Sie geküsst werden. War mein Eindruck falsch?«
»Nein«, erwiderte sie und zerbrach sich den Kopf, was sie nur sagen sollte. Sämtliche eingeübten Verführungskünste schienen ihr entfallen zu sein.
»Doch leider«, sagte er noch sanfter und schob ihr die Haare hinters Ohr, »kann ich einer Frau, die halb so alt ist wie ich, wohl kaum einen Antrag machen. Also muss ich Ihre Küsse, so süß sie auch sind, einem Jüngeren überlassen.«
Bea verschlug es den Atem. Ein Antrag – ihn zu heiraten? Wusste er denn nicht, wer sie war? »Ich will nicht …«, begann sie, doch ihre Stimme versagte. Sie schluckte. »Zufälligerweise bin auch ich nicht an der Ehe interessiert«, sagte sie, ein wenig gefasster. »Doch an Ihnen, das muss ich gestehen, bin ich sehr interessiert.« Sie beugte sich vor und küsste ihn auf den Mund, um ihm zukünftige Freuden zu verheißen. Und sie meinte es absolut ehrlich. Mit ihm würde es keine Grenzen geben.
Doch jetzt war er es, der zurückwich. Sie war so sicher gewesen, dass er sich auf sie stürzen würde, und hatte siegesgewiss gelächelt … doch nun verging ihr das Lächeln.
Er war ein Puritaner – durch und durch. Seine Augen blickten kalt, düster, verurteilend. »Ich habe geglaubt, Sie würden mir nur zum Zeitvertreib die Kokette vorspielen.«
Sie reckte ihr Kinn in die Höhe. »Eigentlich nicht.« Es freute sie, vollkommen gefasst und mit der angemessenen Portion Sarkasmus sprechen zu können. »Ich spiele nur mich selbst.«
»Sich selbst? Wissen Sie überhaupt, wer Sie sind, unter all der Farbe auf Ihrem Gesicht?«
»Ich versichere Ihnen, dass ich das sehr wohl weiß.«
»Sie spielen ein Spiel, das Sie nicht nötig haben«,
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