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Keine Lady ohne Tadel

Keine Lady ohne Tadel

Titel: Keine Lady ohne Tadel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eloisa James
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Frivolitäten mit ihrem Gärtner null und nichtig. Was würde wohl geschehen, wenn ihr Gast die Wahrheit erführe? Esme verdrängte diese Überlegungen und bot Mrs Cable Tee an.
    »Ich danke Gott für diese Gabe«, sagte Mrs Cable und quetschte ihre Leibesfülle neben Esme auf die Couch, wobei sie jedoch keinerlei Anstalten machte, ein Stück noch ungesäumter Baumwolle zur Hand zu nehmen. »Denn das leibliche Wohl darf nicht vernachlässigt werden.«
    »Der Meinung bin ich auch.« Esme schenkte Tee ein und verdrängte rücksichtslos jegliche Vorstellung anderer Formen leiblichen Wohls, die Mrs Cable gewiss nicht gebilligt hätte.
    Mrs Cable trank einen Schluck Tee und zog die Augenbrauen hoch. »Sie gleicht den Schiffen des Kaufmanns; aus der Ferne holt sie ihre Nahrung.«
    Esme war nicht so bibelfest wie ihre Besucherin. Merkwürdigerweise schien der Umgang mit Mrs Cable eher Zorn denn Gottesfurcht zu wecken. »Tatsächlich?«
    »Buch der Sprüche«, erklärte Mrs Cable lebhaft. »Das ist doch indischer Tee, nicht wahr? Teuer, sehr teuer, aber wirklich köstlich. Ich habe sechs Decken mitgebracht, die ich letzte Woche in meiner freien Zeit gesäumt habe.«
    »Wie sagenhaft fleißig Sie sind!«, schmeichelte Esme. Sie selbst besaß anscheinend keinerlei Talent für Nadelarbeit, nur unter den kritischen Augen der Nähkränzchen-Damen schaffte sie bisweilen ein paar Nähte. Deswegen nahm sie auch nicht an dem wöchentlichen Wettbewerb um fertig gesäumte Decken teil.
    »Sie müssen doch zurzeit sehr viel Muße haben, Lady Rawlings.«
    Esme widerstand der Versuchung, Mrs Cable zu erklären, dass ein Haus voller Gäste viel Arbeit bedeutete. »Das sollte man meinen.«
    Zum Glück wurde die Tür in diesem Augenblick von ihrem Butler Slope geöffnet. »Lady Winifred«, kündigte er an, »und Mrs Barret-Ducrorq.«
    »Wie schön, Sie zu sehen, Mrs Barret-Ducrorq!«, rief Esme. »Und wir haben schon geglaubt, Sie würden sich bis zum Ende der Saison in London aufhalten!«
    »Wir haben uns versammelt«, warf Mrs Cable ein, »so, wie es in der Bibel steht: Es versammelten sich die Ältesten.«
    »Ich würde dies gern als Kompliment nehmen, wenn Sie die Freundlichkeit besäßen, mich nicht als Älteste zu bezeichnen, Mrs Cable«, tadelte Mrs Barret-Ducrorq scharf. »Lucy und ich sind für eine Woche aus London geflohen. Das arme Mädchen ist von den vielen Zerstreuungen der Stadt ganz erschöpft. Wie ich«, fügte sie hinzu, obgleich sie bemerkenswert unangegriffen wirkte. »Ein Debüt zu fördern, ist schon eine anstrengende Sache.« Mrs Barret-Ducrorqs Schwester war vor Kurzem gestorben, und so war es ihr zugefallen, die Nichte in die Gesellschaft einzuführen.
    »Und nach allem, was man so hört, verlebt Lucy eine ungemein aufregende Zeit«, erzählte Lady Winifred mit gutmütigem Lachen. Lady Winifreds drei erwachsene Töchter lebten in London. Zwar reiste sie selbst in der Saison nicht mehr dorthin, schien jedoch über alles und jeden informiert zu sein.
    Mrs Barret-Ducrorq warf Lady Winifred, die sittsam mit der Nadel stichelte, einen bösen Blick zu. »Meiner Meinung nach wird es so kommen wie immer: Die Berichte über das Vorkommnis sind maßlos übertrieben!«
    Mrs Cable quollen vor Aufregung beinahe die Augen aus dem Kopf. »Sagen Sie bloß nicht, dass der lieben Miss Aiken etwas zugestoßen ist! Ihre Nichte könnte doch niemals in einen Skandal verwickelt sein. Das muss ein Irrtum sein!«
    Mrs Barret-Ducrorqs Mund verzog sich kläglich. Sie war eine recht beleibte Person, deren Fülle sich vor allem in der Büste konzentrierte: Unter ihrem Kinn sprangen die weißen Klippen von Dover hervor. Für gewöhnlich strahlte sie Überlegenheit aus, doch heute wirkte sie etwas eingeschüchtert.
    Esme legte ihre Arbeit beiseite. »Was in aller Welt ist Miss Aiken denn widerfahren?«, fragte sie. Lucy Aiken war ihr immer wie ein blasses, fantasieloses junges Ding vorgekommen, das niemals im Mittelpunkt eines Skandals stehen konnte.
    »Das ist das Blut ihres Vaters, das sich Bahn bricht«, erklärte Mrs Barret-Ducrorq gewichtig.
    Mrs Cable fuhr erschreckt auf. »Sagen Sie doch nicht so etwas!«
    »Doch, ich sage das! Wenn meine Schwester nicht unter ihrem Stand geheiratet hätte, wäre das alles nicht passiert!«
    »Mir kam es gar nicht so ungeheuerlich vor«, bemerkte Lady Winifred. »Viele Mädchen benehmen sich in ihrer ersten Saison töricht. Das wird doch fast schon erwartet. Und überdies hat es ja gar nicht einen richtigen

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