Keine Lady ohne Tadel
festhängt. Doch obwohl sie selbst in einer so misslichen Lage steckte, hielt sie kurz inne, um Fairfax-Lacy herzhaft auszulachen.
Er warf ihr einen finsteren Blick zu und stand auf. Von den Schultern bis zu den Knien war er mit Schlamm bedeckt. Selbst sein Haar wies braune Sprenkel auf.
Bea lachte, bis ihr der Bauch wehtat. »Was das wohl für Schlamm ist?«, prustete sie und bekam einen neuerlichen Lachanfall.
»Vielleicht der, welchen die Damen auflegen, um ihren Teint zu verbessern?«, knurrte er. »Darf ich Ihnen eine Handvoll reichen?« Geschickt wich er der Ziege aus, kam aber nicht nahe genug heran, um den Spenzer zu greifen. Jedes Mal, wenn er sich dem Tier näherte, entblößte es seine hässlichen gelben Hauer und trat nach ihm.
Schließlich wandte sich Fairfax-Lacy an Bea. »Ziehen Sie das Jäckchen aus.«
»Was glauben Sie, was ich hier gerade mache?«, fauchte Bea, der die Lachlust vollkommen vergangen war.
»Den Ärmel hat er schon gefressen.«
»Verflucht noch mal!«
»Sie fluchen zu viel«, konstatierte der Puritaner.
»Ich fluche, so viel ich will«, gab Bea zurück und begann, den Spenzer aufzuknöpfen. Der Ziegenbock hatte keinen Zoll nachgegeben, er kaute an ihrem Ärmel, als handle es sich um sein Abendessen.
»Sie müssen mir wohl helfen«, sagte sie schließlich zornig. »Ich kann den Rest nicht aufknöpfen, ohne den Zaunpfahl loszulassen. Und wenn ich das tue, zieht er mich auf die Weide hinüber.« Sie musterte Fairfax-Lacy argwöhnisch. »Nicht, dass ich besonderen Wert auf Ihre Nähe legen würde. Riecht dieser Schlamm so schlimm, wie er aussieht?«
»Ja«, sagte er nur und trat auf sie zu.
Seine Gelassenheit machte sie verrückt! Das war buchstäblich – buchstäblich! – der erste bewundernde Blick, den er ihr gönnte. Eigentlich war es so, als sähe er sie zum ersten Mal. Und er sah auch nicht mehr wie ein Puritaner aus. Sondern …
Bea überkam ein seltsames Kribbeln und eine Schüchternheit, die sie sich nicht erklären konnte. Sie blickte zu Boden, während Fairfax-Lacy ihren Spenzer aufknöpfte. Es war alles sehr romantisch: der wohlriechende Duft, der ihn einhüllte, und das Knirschen der Ziegenzähne, die ihr teures Kleidungsstück zermalmten.
Sobald das Jäckchen aufgeknöpft war, gelang es ihr, den Arm aus dem linken Ärmel herauszuschlängeln. Rasch zog sie auch den rechten Arm heraus. Man hätte schwören können, dass die Ziege genau darauf gewartet hatte. Sobald Bea sich des Kleidungsstücks entledigt hatte, schnappte sich der Bock einen größeren Happen und grinste zähnefletschend.
Bea wurde von einer Woge der Wut überrollt. »Nehmen Sie ihm den Spenzer ab!«, befahl sie dem Puritaner.
Doch der lachte nur. Immerhin betrachtete er sie jetzt wie einen Menschen und nicht wie ein lästiges Insekt, aber Bea ließ sich davon nicht beeindrucken.
»Dann werde ich es selbst tun«, verkündete sie, schob den Riegel am Gatter zurück und drückte es auf. Mit einem grausigen schmatzenden Geräusch sank ihr Stiefel in die braune Jauche ein. Doch sie achtete nicht darauf.
Er schloss lediglich das Gatter hinter ihr und lehnte sich mit einem breiten Grinsen darauf. Bea erwog, ihm die Zunge herauszustrecken, besann sich aber. Immerhin war sie dreiundzwanzig.
»Ziege«, sagte sie mit der tiefen, drohenden Stimme, die sie an vier kleinen Schwestern hinreichend geübt hatte. »Ziege, gib mir meinen Spenzer zurück.«
Der Ziegenbock hörte einen Augenblick mit Kauen auf und schaute sie an. Da wusste Bea, dass sie gewonnen hatte.
Sie ging auf das Tier zu, ohne auf die Warnrufe des Puritaners zu achten. Offenbar hatte Fairfax-Lacy nun begriffen, dass sie es ernst meinte, und schien sich Sorgen zu machen, sie könne verletzt werden.
»Denk nicht einmal daran, mich zu treten«, sagte sie zu dem Bock. »Sonst binde ich dir die Hörner zu einer Schleife, und du wirst so lächerlich aussehen, dass dich keine Ziege mehr anschaut.«
Der Bock hörte auf zu kauen. Bea machte noch einen Schritt auf ihn zu und streckte die Hand aus. »Lass ihn fallen!«, befahl sie herrisch.
Die Ziege starrte sie einfach nur an, deshalb verfiel Bea auf den allerschärfsten Ton, den sie benutzte, wenn kleine Schwestern es wagten, sich an ihrem Rouge »Flüssige Rosenblüte« zu vergreifen. »Fallen lassen!«
Natürlich gehorchte der Ziegenbock unverzüglich.
Bea warf einen triumphierenden Blick über die Schulter und bückte sich, um ihren Spenzer aufzuheben. Fairfax-Lacy stapfte bereits über
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