Keine Macht den Doofen
Rolle
des Geldes im Wirtschaftskreislauf bewusst machen. Wesentlich sind dabei zwei
Funktionen: Geld dient erstens als zentrales Zahlungs- und
Tauschmittel für Güter und Dienstleistungen aller Art. Als solches ist
es eine geradezu geniale Erfindung, befreit sie uns doch vom enormen Aufwand
direkter Tauschgeschäfte. (Stellen Sie sich vor, Sie hätten dieses Buch direkt
bei mir erwerben müssen, im Tausch gegen Äpfel aus Ihrem Garten, eine
Viertelstunde Gitarrenunterricht oder eine kurze Taxifahrt – wahrscheinlich
würden wir noch immer miteinander verhandeln, ohne auf einen grünen Zweig zu
kommen.) Geld erfüllt zweitens aber auch die Funktion eines Wertaufbewahrungsmittels .
(So muss ich den Erlös aus dem Verkauf dieses Buches nicht sofort in Äpfel
investieren, sondern kann dies auch Monate später tun.) Zweifellos ist auch
diese Wertaufbewahrungsfunktion eine sinnvolle Eigenschaft des Geldes –
allerdings nur unter der Voraussetzung, dass niemand auf den Gedanken kommt,
dem Wirtschaftskreislauf Geld auf längere Zeit zu entziehen. Denn Geld, das der eine hortet (beispielsweise indem er es unter dem
Kopfkissen versteckt), fehlt allen anderen zum
Austausch von Gütern und Dienstleistungen. Wie das Blut im
Körper muss Geld in der Wirtschaft zirkulieren – wird
diese Zirkulation unterbrochen, bricht das System in sich zusammen.
Welch faszinierende Wirkung der Geldzirkulation zukommt, hat der
Finanzjournalist Lucas Zeise anhand einer hübschen Anekdote illustriert: »Es
geschah in einem kleinen Dorf im Luberon, das ausschließlich vom Tourismus
lebte, bis dieser aufgrund der weltweiten Finanzkrise ausblieb. Kein Tourist
besucht das Dörfchen, und jeder Bewohner muss zum Überleben bei einem anderen
Geld pumpen. (…) Schließlich erscheint ein Fremder und mietet ein Zimmer. Er
zahlt beim Einchecken mit einem 100-€-Schein. Der Tourist ist kaum mit seinem
Trolley die Treppe hinauf, da rennt der Hotelbesitzer schon zu seinem Metzger,
dem er seit Wochen 100 Euro schuldet. Der Metzger nimmt den Schein und läuft
zum Bauern, der ihn mit Fleisch beliefert, was er bislang nicht bezahlen
konnte. Der Bauer ergreift hocherfreut den Schein und trabt zu der einzigen
Hure des Dorfes, der er noch das Geld für die letzten Besuche schuldig ist. Die
Hure beeilt sich ihrerseits, ganz schnell den Hotelier aufzusuchen, bei dem sie
hin und wieder stundenweise eine Kammer mietet, die sie seit Ausbruch der Krise
nicht bezahlen konnte. Im selben Moment, in dem sie den Geldschein auf den
Empfangstisch legt, kommt der Tourist die Treppe herunter, erklärt, dass ihm
das Zimmer nicht gefalle, nimmt den Schein und verschwindet. In diesem kurzen
Moment im Leben eines Dorfes wurde kein Geld ausgegeben, keiner hat etwas
gewonnen und keiner verloren. Allein: alle Dorfbewohner sind plötzlich schuldenfrei.« 48
Vom Tauschmittel zum Tauschzweck
Wäre es dabei geblieben, dass Geld bloß die Funktion eines
universellen Zahlungs-, Tausch- und Wertaufbewahrungsmittels innehätte, sähe
unsere Welt deutlich besser aus. Doch Homo demens wäre nicht Homo demens , würde er nicht alles
unternehmen, um auch noch die klügsten Erfindungen der Menschheit in ihr
Gegenteil zu verkehren. So war es auch beim Geld. Statt dafür zu sorgen, dass
Geld eine stabile, transparente und neutrale
Verrechnungseinheit für den Austausch von Gütern und Dienstleistungen
ist, setzten wir alles daran, es in ein instabiles,
intransparentes und parteiisches Instrument der Umverteilung zu verwandeln,
das den Austausch von Gütern und Dienstleistungen behindert. Wie uns dieses
Idiotenstück gelungen ist? Ganz einfach: Wir machten das
Tauschmittel zum Tauschzweck, aus dem Medium des Warenhandels die Handelsware
schlechthin.
Dass dieses Konzept nicht aufgehen kann, sollte einleuchten. Wie
auch könnte Geld ein neutraler Maßstab für den Marktwert von Gütern und Dienstleistungen sein, wenn Geld selbst eine
Ware ist, deren Wert durch undurchsichtige, eigennützige Spekulationen auf den
Märkten bestimmt wird ? Muss man sich wirklich wundern, dass mit der Deregulierung der Finanzmärkte , das heißt: mit der Stärkung der Warenfunktion des Geldes , der ökonomische
Irrsinn in Rekordgeschwindigkeit neue Gipfel erreichte? Ganz gewiss nicht!
Allerdings wäre es ein Fehler, die Ursache für die gegenwärtige Misere in den
entfesselten Finanzmärkten und ihrem Kettenbriefhandel zu sehen. Immerhin haben
die gewieften Finanzjongleure die Warenfunktion des Geldes nicht er funden,
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