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Keine Macht den Doofen

Keine Macht den Doofen

Titel: Keine Macht den Doofen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schmidt-Salomon
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indem er den Lebensunterhalt
der vom Markt Ausgeschlossenen sichert und massenhaft Konjunkturprogramme
startet. Dies allerdings treibt die öffentlichen Haushalte immer tiefer in die
Schuldenspirale. Die deutschen Staatsschulden liegen jetzt, da ich dies schreibe
(1.10.2011, 16:30 Uhr), bei 2 Billionen 72 Milliarden 692 Millionen 507 Tausend
und 910 Euro. 56 (Was
die Zeitangabe betrifft, muss man einigermaßen genau sein, denn in der knappen
Minute, die ich gebraucht habe, um diese Zahl einzutippen, ist der
Schuldenstand Deutschlands um weitere 90 000 Euro gestiegen, pro Tag wächst er gegenwärtig
um 134 Millionen …) Seit 1970 – damals stand der Staat mit nur 64 Milliarden
Euro in der Kreide – ist der öffentliche Schuldenstand um mehr als das
Dreißigfache angestiegen. Nun kann eine solch horrende Staatsverschuldung auf
Dauer natürlich nicht gut gehen. Also hat sich der deutsche Staat selbst eine » Schuldenbremse « verordnet, die sich nicht zuletzt in
Kürzungen im Sozialhaushalt niederschlägt (Stichwort Hartz IV ). Dies wiederum sorgt nicht nur für zunehmende soziale
Spannungen, sondern auch für eine weitere Reduzierung der Binnennachfrage mit
den bekannten negativen Effekten.
    Dies allein wirkt schon wie ein schlechter Witz, aber die makabre
Pointe folgt erst noch: Denn den neuen Krediten von insgesamt 1596 Milliarden
Euro, die Deutschland zwischen 1970 und 2009 aufnehmen musste, standen im gleichen
Zeitraum Zinszahlungen in Höhe von 1562 Milliarden Euro gegenüber. Das heißt: Von den über 1,5 Billionen Neuschulden, die der Staat innerhalb von
    39 Jahren ansammelte, konnten die öffentlichen Haushalte selbst nur magere 34 Milliarden für allgemeine Aufgaben (etwa für das Bildungs- und Sozialsystem)
verwenden! 57 Der
Rest des Geldes landete weitestgehend auf den Konten jener kleinen Minderheit
von Privathaushalten, die vermögend genug sind, dem Staat größere Geldmengen zu
leihen. Die ohnehin reichen Geldvermögensbesitzer wurden also auf Kosten der
Allgemeinheit – und ohne einen einzigen Finger zu krümmen – um 1562 Milliarden
Euro reicher!
    Dritter Akt : Aufgrund des immensen
Vermögensgewinns stehen die Luxusverwöhnten vor einem Luxusproblem: Denn wohin
mit dem ganzen Zaster, wenn er a) nicht selbst verkonsumiert werden kann, wenn
sich b) Investitionen in die Realwirtschaft kaum mehr lohnen (da mit dem Nachlassen
der allgemeinen Kaufkraft die Profite sinken), und wenn sich c) die Staaten gar
nicht mehr schnell genug verschulden können, um all die willigen Kreditgeber zu
befriedigen? Schwierige Fragen, die den Finanzsektor in den letzten Jahren in
einen regelrechten » Anlagenotstand « brachten. Die
scheinbar clevere Lösung des Problems bestand darin, fiktive
Kapitalanlagen in Form von »Finanzprodukten« zu erfinden. Also steckte
man faule Kredite (an Menschen, die sie niemals zurückzahlen konnten) in immer
originellere und undurchsichtigere Verpackungen, was tatsächlich eine ganze
Weile gut ging, bis der Schwindel letztlich aufflog. 58
    Vierter Akt : In diesem Moment der Wahrheit
erfolgt ein weiterer dramatischer Auftritt des Staates, der mit weiteren
Multimilliardenkrediten nicht nur die Banken, sondern auch die von ihnen
verwalteten Vermögen rettet. Die Pointe dabei ist, dass das Vermögen
zur Rettung des Vermögens aus diesem Vermögen selbst stammt , sodass der
rettende Staat noch höhere Zinsbeträge an die Besitzer der geretteten Vermögen
zahlen muss. Das jedoch ist nur möglich, wenn er sich weiteres Vermögen bei den
Vermögensbesitzern leiht, also gerettetes Vermögen einsetzt,
um gerettetes Vermögen zu retten . Höhepunkt des absurden Spiels: Die
Verwalter des geretteten Vermögens revanchieren sich beim Staat für seine großzügige
Rettungstat, indem sie nun mit gerettetem Vermögen gegen den
Retter des Vermögens wetten (Euro-Staatenkrise), sodass dieser noch mehr gerettetes Vermögen braucht, um das gerettete Vermögen
vor jenen zu retten, deren Vermögen eigentlich gerettet werden soll.
    Merken Sie, worauf diese Farce letztlich hinausläuft? Falls Sie den
Eindruck gewonnen haben sollten, dass sich unser Geldsystem gar nicht so sehr
vom viel gescholtenen Handel mit fiktiven Finanzprodukten an den Finanzmärkten
unterscheidet, dann liegen Sie goldrichtig: Tatsächlich
folgt unser gesamtes Wirtschaftssystem der aberwitzigen Logik von Kettenbriefen 59 , die eine Zeit lang wunderbar aufzugehen scheint, irgendwann aber an den Kanten
der Realität

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